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Pat (Leonardi DiCaprio) war als junger Erwachsener Teil der linksradikalen Anti-Regierungsgruppe French 75. Ja, benannt nach dem Cocktail bzw. dem Feldgeschütz aus dem Ersten Weltkrieg. Von der Befreiung von gefangenen Migranten aus Lagern, Sprengung von Gebäuden und Infrastruktur bis Banküberfällen haben sie einiges im Repertoire. Mit der schwarzen Anführerin Perfidia (Teyana Taylor) zeugt der Bombenbauer eine Tochter namens Willa (Chase Infiniti). Zumindest denkt er es sei seine Tochter. Der Film macht keinen Hehl daraus, dass es sich beim Vater um Fascho Colonel Lockjaw (Sean Penn) handelt, also dem Feind. Eines Tages geht eine der Aktionen der Franch 75 gehörig schief und Lockjaw bringt die meisten Mitglieder der Gruppe zur Strecke. Pat kann mit Willa entkommen und taucht für sechzehn Jahre unter. Doch als die Deckung der beiden erneut auffliegt, müssen sie getrennt voneinander fliehen und der dauerbekiffte Pat macht sich auf die verzweifelte Suche nach Willa.

Paul Thomas Andersons (Boogie Nights, There Will Be Blood) neuer Film vermischt Drama, Thriller und Komödie zu einem äußerst unterhaltsamen Film, der trotz der 162 Minuten Laufzeit erstaunlich flott vorüber geht. Das Pacing wird über den Großteil der Films sehr hoch gehalten. Dafür sorgen die rasanten, oft schön fotografierten Bilder. Die teils absurden Dialoge und Situationen helfen kräftig dabei mir, beim ersten Ansehen die Schwachstellen des Films zu kaschieren. Haben wir es bei One Battle After Another mit einem guten Film zu tun? Ja, grundsätzlich schon. Allerdings kann ich hier nicht das Meisterwerk entdecken, das viele Rezensenten derzeit lautstark ausrufen. Ich sehe hier einen Film, der es leider nicht schafft mehr zu sein als die Summe seiner - zugegebenermaßen kurzweiligen - Teile.

Wie man es von mir kennt, werde ich mich mit meiner Begründung kurz fassen - hüstel!

Dass OBAA kein Meisterwerk geworden ist, hat vor allem mit der unscharfen Schwerpunktsetzung und der oberflächlichen Abhandlung der aufgezeigten Themen zu tun. Das zentrale Topic ist nicht so offensichtlich wie es auf den ersten Blick scheint: die Guten Linken kämpfen gegen die Bösen Rechten. - Wie? Die Linken sind nicht die Guten in dieser Geschichte?
    Jein!

Was man definitiv sagen kann: Die Faschos sind die Antagonisten des Films. Ihr Gegenpol wird in OBAA dadurch aber nicht automatisch zu Heiligen. Es bedarf DiCaprios Figur Pat, damit man sich überhaupt zur Sympathie mit einem der Charaktere aufraffen kann. Pat wiederum macht hauptsächlich aus Zuneigung zu Perfidia bei den French 75 mit und nicht, weil er vollkommen von deren Vorgehen überzeugt ist. Die Sache ja, aber die Methoden scheinen ihn sehr nervös zu machen. Ableiten lässt sich aus seinem Verhalten im ersten Akt. Ab Willas Geburt will er im Grunde nur noch seine Ruhe haben und das Kind sicher wissen. Dass er Willa priorisiert lässt ihn menschlich erscheinen; ebenso seine Trotteligkeit, die ihm dank seines Drogenkonsums zu eigen ist. Er wird dadurch nicht zu einer neutralen Figur, aber emotional nahbar. Ihm gehen die geheimniskrämerischen Methoden mit dreifach verschachtelten Geheimcodes genauso auf den Senkel wie es uns in der Situation ginge. Situationen aus denen der Film zu Recht enormes komödiantisches Potential schöpft. Man schaut lieber Pats charmantem Versagen zu als einem der anderen, deutlich kompetenteren, überlebenden French 75.

Links gegen Rechts scheint doch ein ziemlich eindeutiges Thema des Films zu sein, oder?

Extreme Rechte

Mehr noch: PTA will hier offensichtlich ein Statement gegen die Radikalisierung an sich setzen. Eine Haltung, der ich eine Menge abgewinnen kann. Er belässt es nämlich nicht dabei nur eine der beiden Position der Lächerlichkeit Preis zu geben. Die Zeichnung der extremen Rechten um Lockjaw ist on Point und hätte meiner Meinung nach als Fokus der Erzählung vollkommen ausgereicht, wenn man das Feld auch ausgiebig beackert hätte. Es ist nicht so, dass ich es dem Regisseur nicht zu getraut hätte. PTA ist offensichtlich bewusst wie viel Potential vor ihm lag, wollte es aber nicht ausschöpfen. 

Es geht nicht einfach nur um den Rassismus an sich. Der ist in Film wie Realität lediglich der Treibstoff für Repression und die Rekrutierung von Unterstützern. Am Ende geht es wie so oft nur ums liebe Geld. Kurz wird das sogar beim Fascho Geheimbund des Christmas Adventurers Club angesprochen. Lockjaws massenhaftes Ausweisen von Migranten gefährdet nämlich den Nachschub an billigen Arbeitskräften, wodurch Produktionsketten ins Stocken geraten sind. Darum und nicht nur weil er eine gemischtrassige Tochter hat, muss er beseitigt werden. Das Eine ist lediglich die Ausrede für das Andere.
 
Warum sich bei diesen Überlegungen nicht auf die Verstrickungen von Kapital und rassistischen Strömungen konzentrieren und aufzeigen wie sehr in den USA reiche Evangelikale sich des rassistischen Potentials bedienen? Warum nicht aufzeigen wie das rassistische Potential genutzt wird, um Verteilungskämpfe zwischen den Ärmsten in der Gesellschaft anzuheizen und zu spalten? Weiße untere Einkommensschichten werden in diesen Kreisen in aller Regel verachtet. Deren Wahlverhalten weiß man jedoch elegant zur Stärkung der eigenen Machtposition zu nutzen. Gleichzeitig hält man die Armen allesamt unten; egal ob weiß, schwarz, rot oder braun. Wer arm ist, lebt nicht Gott gefällig *. Die Tea Party Bewegung scheint man mit dem Geheimbund weißer alter Männer zumindest im Ansatz hops nehmen zu wollen. Abgesehen von dieser Gruppe ist keine Figur vertreten, die den politischen Willen des Staates darstellen würde. Ein bisschen einseitig, aber warum dann nicht diesen Ansatz stärker verfolgen? 

OBAA zeigt uns die Bilder einer bedrückenden weltpolitischen Situation und erinnert uns daran, warum uns unwohl ist und wir empört oder gar wütend sind. Der Film zeigt also die Symptome einer menschenverachtenden Politik, traut sich aber an dieser Stelle nicht die Ursachen oder Hintergründe aufzuzeigen. Kann man machen, aber dann wäre Exploitation das bessere Genre gewesen. Mittels überzogener Gewalt und Gore könnte man dann immerhin die schlechte Laune ableiten, die sich aufgestaut hat. Ein echtes Meisterwerk würde Ursachen nicht verschüchtert andeuten, sondern zumindest ergründen versuchen. Ja, auch das geht bei komplexen Themen unterhaltsam auf satirische Weise. Es ist zum Haare raufen, dass selbst ein alberner, zwanzig minütiger Sketch der Anstalt mehr Erkenntnisgewinn aufbieten kann, als ein 162 Minuten langer Film, der kaum Handlung hat.

PTA bietet uns einige wirklich gute Lacher neben vielen netten Gags, die aber hauptsächlich auf unseren Vorstellungen der Gegenseite beruhen und diese bloß reproduzieren. Manches ist dann auch noch derart erzwungen, dass ich mir vorstellen kann, wie auf der Easter-Egg-Kladde ein Haken an einzelnen Kästchen gemacht wird. 
 - So, wir haben Lockjaw noch dazu gebracht was Schwulenfeindliches zu sagen. Damit ist das auch erledigt. 

Extreme Linke

Okidoki, die extreme Rechte ist extrem Scheiße. Darauf kann man sich ja einigen. PTA wollte es dabei aber nicht belassen. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass er ein allgemeines Statement gegen Radikalität setzen wollte. Offensichtlich jedenfalls, denn es wird auch die radikale Linke ins Visier genommen. Nicht dass die es nicht auch verdient hätte satirisch aufs Maul zu bekommen. Angriffsfläche wäre schließlich genug da. Oftmals selbstgerecht, nur angetäuscht gesprächsbereit, in Wordings pienziger als der Papst und ohne Kompromissfähigkeit - oder wie im Fall des Terrorangriffs der Hamas vom 7.10.2023 erschreckend hasserfüllt und antisemitisch. 

Zur Erinnerung: Am Tag danach wurde weltweit von vielen radikalen Linken allgemein und sogar Intellektuellen eine hämische Freude über die ermordeten, entführten und vergewaltigten Menschen geäußert, dass ich Baff war**. Ich rede hier von Menschen, die kein Skin-in-the-game haben, also nicht persönlich betroffen waren. Man sollte meinen, dass man aus der Position heraus einen kühlen Kopf bewahren können sollte. Pustekuchen! Die Ursache rührt vermutlich aus der Zeit des Kalten Krieges. In der Ära wurde mehr und mehr ein Framing etabliert, das Israel und Zionismus mit dem Klassenfeind, dem Kapitalisten, gleichgesetzt hat. In einer dualistischen Welt musste der Islam dann auch folgerichtig mit der eigenen Position verbunden werden. Eigentlich hätte es mich nicht allzu sehr wundern dürfen. Es ist jedoch immer falsch sich über das Leid anderer Menschen und politische Morde wie übers Geschenke auspacken an Weihnachten zu freuen. Zu einer friedlichen Problemlösung trägt ein solches Verhalten jedenfalls nicht bei. Im Gegenteil, es verengt den Gesprächskorridor.

Ich betone an der Stelle sicherheitshalber nochmal, dass ich nur diesen Teil der Linken meine. Ich werfe ich nicht das gesamt Spektrum in einen Topf. Das wäre blöd. Schließlich würde ich mich damit selbst treffen. 

Jedenfalls wäre genug Potential vorhanden Kritik zu üben. PTA traut sich jedoch auch hier nicht wirklich ins Detail zu gehen. Zu Anfang des Films zeigt er einen Haufen chaotischer Nichtsnutze, die sich enorm wichtig fühlen und zwar irgendwie Irgendwas besser machen zu wollen, dabei aber auch Unschuldige töten. Satirisch überhöht wird die French 75 in der Darstellung von Perfidia. Permanent kommuniziert sie in einem fort radikalfeministische, antiimperialistische, antikapitalistische und antikoloniale Wortgewölle, durchsetzt von obszönen Ansagen, weil ihre beinahe tourettartig verbalisierte Wut sie selber geil gemacht hat. Dabei ist es weder ihr noch ihren Freunden möglich eine zusammenhängende Argumentation oder Position zu formulieren, mit der man jemanden von einer Sache würde überzeugen können. Ich musste immer wieder an die wirr und überkandidelt formulierten Schreiben der RAF denken, die ich in Butz Peters Buch "Tödlicher Irrtum" gelesen hatte. Die hatten auch das schlechte Zeug geraucht.

In Perfidia und der French 75 steckt also eine Unmenge Wut. Diese entlädt sich permanent in Affekte. Neben den beschriebenen Wortspenden meine ich damit auch die mit heißer Nadel gestrickt wirkenden Aktionen. Daraus können die Zuschauenden schließen, dass die French 75 Mitglieder selbst nicht einmal herleiten können, warum sie genau diese Aktionen durchziehen anstatt andere Wege des Protests und der langfristigen Veränderung wählen. Den Menschen dieser Gruppe geht es nicht gut und die Welt ist nicht so wie sie sie sich wünschen.  Ich sage nicht mal, dass sie keinen Grund hätten wütend zu sein. Wut ist aber eine sehr unproduktive und vor allem unkonstruktive Emotion. 

Ich hab jedoch ein grundsätzliches Problem mit dieser Gruppierung: Es werden nur Symptome wahrgenommen und bekämpft. Wie ich bereits zuvor beschrieben habe, wird das dahinter liegende ursächliche System im Film nicht erkannt, erforscht und dann dekonstruiert. Links gut, rechts böse ist praktisch für die Zuordnung der Teams, aber hoffnungslos unterkomplex. Dass dieser Umstand keiner der Figuren an irgendeinem Punkt bewusst wird und dass man eventuell auf dem Holzweg sein könnte, unterstreicht die Borniertheit beider Lager. Beide scheinen unfähig sich fortzuentwickeln. Die Aktionen der French 75 verbessern langfristig die Gesamtsituation nicht und führen fast zwangsläufig in die Selbstzerstörung. Ausreichend erforscht wird dieser Aspekt leider auch nicht. Vermutlich weil wir Zuschauenden für ihre Position sein sollen. Schließlich sind sie die deutlich Schwächeren in der Handlung - und wer hält schon für den Stärkeren, wenn man nicht gerade Bayern München Fan ist?!

Und weil die Revolution stets ihre Kinder frisst, gibt Perfidia ihre Freunde und Kameraden, selbst ihre Tochter auf, als sie gefasst wird. Um sich selbst zu retten liefert sie die meisten dem Henker aus. Sie ist ebenso verachtenswert wie ihr Liebhaber Lockjaw. Immerhin daraus macht PTA keinen Hehl. Mit Perfidias Abgang aus der Handlung am Ende des ersten Akts verschwindet die Linke als Zielscheibe fast gänzlich. Sie wurde ohnehin nur halbherzig beackert. 

Fazit dieses Abschnitts: Es war PTA wichtig gewesen darauf hinzuweisen, dass die Gegenposition auch problematisch ist. Gut, zur Kenntnis genommen, mit den Achseln gezuckt und weiter geht's. Oder habt ihr aus dem Abschnitt etwas gelernt?

"Find deine Uniform geil, Süßer." 
"Dein Molotow-Cocktail ist aber auch nicht von schlechten Eltern."

Man hätte sich also besser auf ein Ziel konzentriert. Dass PTA mehr Potential im Spannungsfeld zwischen den Extrempositionen gesehen hat als er verarbeiten konnte oder wollte, sieht man übrigens an Willas Zeugung. Natürlich stehen Perfidia und Lockjaw aufeinander. Die Extreme bedingen sich schließlich gegenseitig, weil sie einander Gründe für ihren Hang zu exzessivem Handeln geben. Ohne den anderen verliert man Identität. Darum will man den anderen am Ende auch nicht vollständig besiegen. Dann wäre der schöne Kampf ja zu Ende. Man kann sich noch nicht einmal sicher sein, ob Perfidia und Lockjaw wirklich ernsthaft von ihren Ideologien überzeugt sind oder ob sie nicht bloß ein Ventil für ihre Neigungen bietet. Doch auch diese Aspekte werden nur angerissen, nicht durch dekliniert.

Zeigt man wenigstens in den folgenden Akten anhand der Geschichte der Tochter, die ja ein Produkt der Begierden der Extrempositionen ist, Konsequenzen, Auswege oder Entwicklungen? Jein. Willas Figur bekommt keinen Raum sich zu entwickeln. Sie steht nicht wie Perfidia für exzessive Gewalt und muss sich dann neu erfinden, um weiter zu kommen. Sie ist von Beginn an nur auf Selbstverteidigung trainiert. Man sieht sie sogar bei Übungen im Dojo mit ihrem Trainer (Benicio del Toro). Sie muss nicht erst zu der Person werden, die in der letzten Szene auf Demos geht und einen zivilgesellschaftlichen Weg wählt. Sie is diese Person bereits. Und selbst das wird am Ende auch nur angerissen. Ein kathartischer Moment, ein Blick auf das wie es besser funktionieren kann, wird den Zuschauenden somit verwehrt. Ist Willa also besser als ihre Eltern, weil sie automatisch mehr in der Mitte zu verorten sein muss? Die Formel Minus und Plus gleichen sich aus klänge arg seltsam, würde aber zur inkonsequenten Erzählung passen. Das würde aber auch bedeuten, dass die aktuelle Generation verdammt ist und erst die nachfolgende es wird richten können. Dafür bin selbst ich nicht zynisch genug. 

Und der Vater ihrer Tochter ist...

Erkundet PTA nach dem ersten Akt die Beziehung zwischen Vater und Tochter und zeigt anhand dieser eine Entwicklung auf? Immerhin haben wir es hier ja sogar mit der spannenden Ausgangssituation einer doppelten Vater-Tochter-Beziehung zu tun. Auch das muss leider verneint werden. Pats Entwicklung endet mit Willas Geburt. Er verwandelt sich in einem Drogenabhängigen, aber herzlichen Kümmerer. Nicht dass er besonders zuverlässig als Vater wäre. Lehrt er Willa wichtige Lektionen über das Zusammenleben? Wohin Hass führen kann? Nein. Die Screentime von Pat und Willa ist derart kurz, dass hierfür gar kein Raum bleibt. Sie verbringt auf der Leinwand mehr Zeit mit ihrem biologischen Vater  und selbst die ist kurz und von Feindschaft geprägt. Auch mit Lockjaw kann sich also kein Dialog mit Aha Moment entwickeln. Man zeigt dafür eindrucksvoll wie sehr sich Lockjaw die Realität so hinbiegt, damit sein unmoralisches Verhalten gerechtfertigt ist. Er vollzieht die typische eine Täter-Opfer-Umkehr. Ein weiteres Häkchen auf der Easter-Egg-Kladde machen und weiter geht's. Dieses Spielchen wiederholt Lockjaw nochmal am Ende, wenn er mit der Geschichte von der umgekehrten Vergewaltigung aufwartet.

Versucht PTA uns mitzuteilen, dass am Ende die Bösen ihre Strafe bekommen werden? Nun ja, es trifft leider nur das Fußvolk und das mittlere Management. Die Strippenzieher kommen ungeschoren davon.

Ja, es ist ein wenig befriedigend, wenn einige Faschos im Film ihrem Ende zugeführt werden. Dass Lockjaw wie ein Jude im KZ vergast und eingeäschert wird, ist an der Stelle beinahe etwas zu zynisch. Im ersten Moment musste ich darüber grinsen, wurde mir dann aber meiner persönlichen Interpretation der Szene bewusst. Ich musste im zweiten Moment wieder an die Reaktionen von Teilen der radikalen Linken auf das Hamas Massaker denken. Nicht dass ich PTA diese Geisteshaltung zuschreiben möchte. Auch unterstelle ich ihm nicht, dass er absichtlich eine antisemitische Dogwhistle eingebaut hat. Dafür kenne ich seine Einstellung zu diesem Thema nicht. Ich kann mir jedoch die Interpretation der radikalen Linken beim Sehen dieser Szene nur zu gut vorstellen; und warum sie vermutlich zelebriert wird. 

Rein aus filmerischer Sicht erscheint mir Lockjaws zweite Sterbeszene jedenfalls unnötig. Die erste hätte ausgereicht. Der Film ist ohnehin schon lang genug ohne diese Sequenz.

Was sonst noch auf der Menükarte steht

Die Suche des Vaters nach der Tochter nimmt einen sehr großen Raum ein. Sie ist unterhaltsam inszeniert und hat immer wieder humorvolle Momente. Ironischerweise könnte man DiCaprios Handlungsstrang komplett herausschneiden und nichts würde sich ändern, vom kurzen Wiedersehen am Ende abgesehen. Eine echte Erkenntnis oder Entwicklung ergibt sich aus der Suche an sich nicht, sodass diese nicht auf das Finale einzahlt. Besser wäre es gewesen Willas Weg intensiver zu begleiten. Der wird nämlich eher Stichpunktartig abgehandelt. Es wird angedeutet, dass die Nonnen Willa zu einer Nachfolgerin ihrer Mutter ausbilden wollen. Hat das eine Relevanz für die Handlung? Nein! Mehrfach wird angesprochen, dass Willas Mutter eine Ratte war. Ergeben sich daraus Konsequenzen für die Handlung? Nein! Willa muss sich nicht erst beweisen. Ich frage mich, warum wir uns dann mit diesen Szenen beschäftigen. Nur damit sie da sind und PTA sagen kann: Mach daraus was du willst!? Ein wenig arg dünn.

Geht es eigentlich um die Lebensumstände und Ängste der Migranten? Die werden im Mittelpart immerhin glaubhaft in Szene gesetzt. Sie überleben nur, weil ihre Community zusammenhält und man sich gegenseitig unterstützt. Fand ich schön umgesetzt, wirkte auf mich aber eher als sei PTA eingefallen, dass er neben den Tätern von links und rechts noch die Menschen zeigen müsste, um die es beiden Positionen geht. Auch hier fehlte mir fehlte mir eine clevere Erkenntnis für die Gesamthandlung. Man könnte nämlich ketzerisch einwerfen, dass beide Positionen diese Menschen als Zankapfel missbrauchen. Was nutzt der Kampf gegeneinander, wenn es nicht einen Preis zu holen gilt?! 

Auch hier hätte man tiefer einsteigen und aus der Sicht der Migranten die Vorgänge im Land erkunden und tiefere Einblicke gewinnen können. Stattdessen wird alles wieder nur angerissen, vermutlich um einen Aufstand zeigen und das Tempo hoch halten zu können.

tl;dr

OBAA zeigt somit vieles und erzählt uns in letzter Konsequenz eigentlich nichts richtig. Es handelt sich um ein Potpourri an Blickwinkeln auf einen Themenkomplex, welche aufgezeigt, aber weder satirisch noch ernsthaft bis zum Ende durchleuchtet werden. Anders als Weapons im Sommer, der sich nicht entscheiden konnte, was er am Ende erzählen wollte, will OBAA alles gleichwertig in den Plot verweben, verhebt sich jedoch an dieser Ambition. Alles ist da, nichts sticht heraus. Jeder darf sich rauspicken, was einen anspricht. Das ist wie in einen gemeinsam Topf Knete zu greifen und damit herumzuspielen.

Hauptsächlich funktioniert der Film durch die aktuelle weltpolitische Situation, die in uns zu Recht die Empörung über begangenes Unrecht anfacht. Dafür sorgen die gezeigten Bilder von Abschiebelagern und die authentische Brutalität und eiskalte Konsequenz, mit der der Lockjaw und seine militante Polizeitruppe vorgeht. Dass das aktuell mit unseren Unsicherheiten und Ängsten resoniert und so den Hype anfacht, kann ich natürlich nachvollziehen. 

Doch ohne einen originären Gedanken zu äußern, ohne eine Konklusion zu entwickeln oder das Problem so zu analysieren, dass Ursachen und somit Auswege aus der Misere aufgezeigt werden, bleibt OBAA lediglich eine verschwommende Projektionsfläche unserer eigenen Affekte. 

Das mag im ersten Moment sehr befriedigend sein, weil es uns selbst bestätigt, fühlt sich im Nachhinein allerdings auch sehr hohl an.

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Lesetipps:
*   Hass und Hetze: Trumpismus mit und ohne Trump; Bernd Greiner, Blätter 10'25
** Israel in der dekolonialen Matrix - Über die seltsame Nähe zwischen Linken und Islamisten, Eva Illouz, Blätter 10'25

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