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Die rotierenden Gärten von Babylon

Als ich diesen Blog begann hatte ich auch Serienbesprechungen auf der Agenda. Diese sind bislang eher kurz gekommen, was vor allem daran liegt, dass sich mein Fokus in den letzten Jahren wieder auf Filme verschoben hat.

Ich habe mir folgende Konstellationen überlegt, die für eine Besprechung Sinn ergeben:

1. abgeschlossene Serien

2. Serien, die mit jeder Staffel abgeschlossen sein könnten

3. Absolute Dumpsterfire, vor denen man warnen muss

Eine Kategorie Zwei Serie habe ich bereits im Juli vorgestellt. Slow Horses wird, wie die Bücher, zum Ende hin immer abgeschlossen. Somit wäre eine Absetzung schade, aber nicht weiter tragisch. Heute hab ich einen Kandidaten, der zu den abgeschlossenen Serien gehört und aus mehreren Gründen etwas besonderes ist: Babylon 5.



In der Sci-Fi Serie, die von 1993 bis 1998 produziert wurde, dreht sich alles um eine rotierende Raumstation - ok, der Joke war billig, lag aber nutzlos hier rum. Babylon 5, so der Name der Station, soll als neutraler Ort fungieren und hebt den Gründungsgedanken der Vereinten Nationen auf intergalaktisches Niveau. Wer glaubt die Befindlichkeiten von terrestischen Fleischsäcken seien schon kaum auszutarieren oder zumindest zu adressieren, der sieht sich auf B5 mit seinem All-Time-Favourite-Albtraum konfrontiert. Ein guter Teil des Stationspersonals dachte sich vermutlich bei Anstellung: "Wenn Botschaften und Handelsposten vor Ort sind, wird es schon zivilisiert zugehen." Doch sobald es ums Intrigieren, Spionieren, Messer wetzen, Messer in Personen zwischenlagern, Regierungen stürzen oder ein bisschen Massenmord geht, dann hat man reichhaltige Auswahl an Zeitvertreib. Das Angebot ist demnach breiter aufgestellt als bei Netflix  

Ich war dabei als das Dritte Zeitalter der Menscheit begann; zehn Jahre nach dem interstellaren Krieg zwischen den Menschen und den Minbari. Das Babylon-Projekt, ein uralter Traum, war Wirklichkeit geworden. Um weitere Kriege zu verhindern war ein Ort geschaffen worden, an dem Menschen und Außerirdische friedlich zusammenleben können. Babylon 5 ist eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, Schmuggler, Geschäftsleute, Diplomaten und andere Reisende aus den verschiedensten Welten. Sie leben, umgeben von zweieinhalb Millionen Tonnen Stahl, mitten im Weltraum. Es kann ein sehr gefährlicher Ort sein, aber es ist auch die einzige und letzte Hoffnung auf dauernden Frieden.  Wir schreiben das Jahr 2258. Dies ist die Geschichte der letzten großen Weltraumstation.

Der deutsche Introtext zur ersten Staffel mag etwas gehetzt und cheesy vorgetragen sein, holt die Zuschauer aber inhaltlich ab. Man weiß sofort worum es geht und muss nur noch die Figuren kennenlernen. Um Universum, Charaktere und Fraktionen vorzustellen, besteht die erste Season hauptsächlich aus One-Shot-Episoden, also Geschichten, die ganz klassisch in sich abgeschlossen sind. Wer genau hinschaut, wird aber bereits hier erkennen, dass im Hintergrund Dinge in Bewegung geraten, deren Ursprung und Ziel unbekannt sind. Mystery Box nennt man den Kniff, der die Zuschauer bei der Stange halten soll. Dazu gehören in dieser Staffel unter anderem: Was hat es mit Commander Sinclairs (Michael O'Hare) Gedächtnislücke bezüglich der Endschlacht gegen die Minbari auf sich? Was sind das für seltsame Wesen, die in den Weiten des Alls lauern? Wie sieht Botschafter Kosh unter seinem Panzer aus? Was ist das für eine Fraktion, die scheinbar selbstlos dem Centauri-Botschafter Londo Mollari (Peter Jurasik) aus der Patsche geholfen hat? Wer versucht auf der Erde Stimmung gegen Außerirdische zu machen und was ist der wahre Grund?

Im Vergleich zum damaligen Platzhirschen Star Trek stellte sich augenblicklich ein anderer, frischer Wind im Genre ein. Dort gehörte es bis in die späten Neunziger hinein zum guten Ton, dass alles, bis auf wenige Ausnahmen, nach dem Ende einer Folge wieder alles auf Null gesetzt wird. Dauerhafte Veränderungen oder zusammenhängende Plots gab es kaum. Zugegeben, das galt für so ziemlich alle Serien. Zudem wirkte die Welt von Babylon 5 deutlich gefährlicher und geheimnisvoller. Kein Front gegen Star Trek. Ich bin ein großer Fan von TNG und Enterprise und mag einen guten Teil von DS9, aber damals war Babylon 5 einfach anders.

Korrekt, anders bedeutet nicht automatisch, dass es auch besser war. In Staffel eins stolperte man wie in vielen Serien einige Zeit lang zum Ziel voran, bis man sich eingegrooved hatte. Die Skripts der ersten Season waren nicht immer optimal aufeinander abgestimmt, einige Figuren suchten teilweise noch ihren Platz in der Serie und man hatte viel Fundament zu legen, bevor es richtig losgehen konnte. Spätestens mit den finalen Folgen der Staffel war aber klar, dass hier enormes Potential verhanden war. Anders als heute ließ man einer Serie durchaus Zeit zu experimentieren und herausfinden, was gut funktioniert und was nicht. Zudem hatte der Erfinder der Serie damals deutlich weniger kreative Kontrolle über sein Baby.

Verstehen ist ein dreischneidiges Schwert. - Kosh 

Kleiner Exkurs zu Deep Space Nine: beide Serien waren parallel in der Entwicklung. J. Michael Straczynski (JMS), der Macher von B5 war auch bei Paramount/CBS vorstellig geworden, um dort seine Serie zu pitchen. Man lehnte ab. Während der Vorbereitungen des Pilotfilms, den Warner bestellt hatte, wurde bekannt, dass die Konkurrenz auch eine neue Serie über eine Raumstation mit Militär und Zivilisten in Vorbereitungen hatte. Man war bei der B5-Crew ziemlich pissed, um es vorsichtig auszudrücken. Sollte man es auf sich beruhen lassen oder entsprechend gegen die Produktion vorgehen? Schließlich entschied man sich für Ersteres. Die Gefahr in einen langwierigen Rechtsstreit um Copyright-Diebstahl zu geraten, der das Potential hatte beide Serien aus dem Rennen zu nehmen, war zu groß. Am Ende haben wir zwei Serien bekommen, die gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, aber gut nebeneinander existieren konnten, ohne wie die Kopie des anderen zu wirken. DS9 startete dank besserer Ausgangslage etwas früher als B5. Nachdem der Pilotfilm gut angekommen war, ging die erste Staffel in Produktion und wurde erst ab 26. Januar 1994 ausgestrahlt. Daher hielt sich lange Zeit das Gerücht unter Trekkies, B5 sei eine Kopie von DS9. Dass es andersherum sein könnte, kam da nicht in den Sinn.

Lt. Commander Susan Ivanova, Commander Jeffrey Sinclair, Sicherheitschef Michael Garibaldi

Um das Budget leichter einordnen zu können, zum Vergleich ein paar Zahlen: Babylon 5 hatte in Staffel eins und zwei ein Budget zwischen 650.000 bis 800.000 USD, für zwei Staffeln gönnte man dem Team dann 900.000 bis 1.000.000 USD. Die finale Staffel wurde dank Umstrukturierungen im Sendersystem von Warner wieder deutlich günstiger produziert. Vermutlich lagen die Zahlen im Bereich der ersten Staffel, genauere Angaben fehlen mir. Star Trek: TNG verfügte ab 1990 ein Budget von 1,5-2 Mio USD, während DS9 ab der vierten Staffel 2,5-3 Mio USD nutzen konnte. Voyager, die 1995 startete, also als die zweite Season von Babylon 5 lief, hatte einen 2-3 Mio. USD Budgetrahmen.  Zwischen dem zwei bis dreifachen Budget je Folge mehr zu haben, macht einen riesigen Unterschied in der Produktion. Ich will nicht jammern, weil B5 sonst vielleicht eine ganz andere Serie geworden wäre. Somit sollte aber klar geworden sein, wie unterschiedlich der Spielraum war, wenn man die Serien miteinander vergleicht.

Zur steilen Lernkurve in Staffel eins gehörte neben der Budgetherausforderung vor allem auch die Technik. Es musste an allen Ecken und Enden gespart werden. Gleichzeitig sollte eine glaubwürdige Welt entstehen, die nicht durch winzige Sets eingeengt und klein wirken durfte, sondern groß, weit, lebendig, mit vielen Außerirdischen und Statisten, ausladenden Weltraumszenen. Auch den einen oder anderen Ort abseits der Station wollte man zeigen. Es wurden also zunächst viele Kostüme, unterschiedliche Kreaturendesigns und Sets benötigt. 

Oh, genug [gemeint sind Dinge, die man bereut] um damit ein Leben zu füllen. So viel ist verloren gegangen, so viel vergessen worden. Es gibt so viel Schmerz und böses Blut. Ich frage mich, wofür all das? ... Die Vergangenheit prägt uns, die Gegenwart verwirrt uns und die Zukunft ängstigt uns. Unsere Leben entgleiten uns von dem einen auf den anderen Moment, in der schrecklichen Leere dazwischen. Aber es ist immer noch Zeit diese eine letzte, zerbrechliche Gelegenheit zu nutzen. Sich für etwas besseres zu entscheiden, einen Unterschied zu machen, wie sie sagen würden. Und ich habe vor genau das zu tun. - Centauri Imperator Turhan

Das Studio Optic Nerve war für Masken und Prosthetiken zuständig. Es gelang ihnen eine hohe Bandbreite von Alienrassen zu entwickeln, die zwar humanoid waren, aber im Gegensatz zu den meisten Außerirdischen in Star Trek nicht wie minimal abgewandelte Menschen aussahen. Die größte optische Nähe haben die Centauri zu den Menschen, dann kommen die Minbari mit ihren Knochenkränzen und den stark Richtung Hals verschobenen Ohren. Diese waren sicherlich schon sehr aufwändig für den täglichen Dreh. Die Darsteller der Narn, Markab, Drazi, Llort, Brakiri, Soul Hunter, Pak'ma'ra, Gaim usw. usf. benötigten jedoch allesamt Komplettmasken für den Kopf. Eine zeitraubende Prozedur für das Make-Up-Department, zumal oft mehrere verschiedene Rassen und dann noch bis zu mehreren Dutzend der Außerirdischen auf einmal im Bild zu sehen waren. Insbesondere die Aufnahmen auf dem Stationsmarkt, dem Zocalo, müssen enorm aufwändig in der Produktion gewesen sein.   

Das Gruppenfoto bringt die Abwechslung im Kostümdesign gut zum Ausdruck.

Ann Bruce Aling war die Kostümdesignerin der Serie. Neben den Uniformen für die Erdstreitkräfte gehörten dazu Outfits für die Zivilisten verschiedener Völker und deren Botschaftspersonal. Dabei einen Copy-Paste-Effekt zu vermeiden war sicherlich nicht leicht gewesen. Sobald man sich von den Uniformen entfernt werden die Designs sehr individuell im Look. Obendrein musste man an der Kleidung bereits die Fraktionszugehörigkeit erkennen können. Centauri kleiden sich in ihrer Freizeit nun einmal anders als Minbari oder Menschen. Aling durfte den Figuren jedoch nicht nur irgendwelche Klamotten an den Leib werfen, sondern musste mit ihren Designs auch Worldbuilding betreiben. Die Centauri beispielsweise strahlen bereits eine altrömische Dekadenz aus. Sie fröhnen den Lastern, wünschen sich aber in glorreichere Zeiten zurück, als sie über ein Imperium herrschten. Die Narn wiederum machen keinen Unterschied zwischen ziviler und militärischer Kleidung. Sie haben sich vollkommen dem Kampf gegen ihre ehemaligen Unterdrücker, den Centauri, verschrieben. Den Minbari wiederum sieht man die Kastenzugehörigkeit auf den ersten Blick an. Selbst ohne eine Erklärung sieht man, dass zwei der Kasten der Religion und den Kriegern gewidmet sein muss. Unterstrichen wird das Outfit der Krieger dann oft auch von entsprechend gefährlicher wirkenden Knochenkränzen um den Schädel herum. 

Alles Leben kann in zwei Hauptphasen eingeteilt werden. In die Phase des Übergangs und in die Phase der Erleuchtung. G'Quan schrieb: "Es gibt eine größere Dunkelheit als die eine, die wir bekämpfen. Es ist die Dunkelheit der Seele, die von ihrem Pfad abgekommen ist. Der Krieg, den wir ausfechten ist nicht gegen Großmächte und Herrscher gerichtet, sondern gegen Chaos und Verzweiflung. Schwerwiegender als der Tod des Fleisches ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume. Dieser Gefahr dürfen wir uns niemals ergeben. Die Zukunft befindet sich um uns, wartend in der Phase des Übergangs, um im Moment der Erleuchtung wiedergeboren zu werden. Niemand kennt die Gestalt dieser Zukunft oder wohin sie uns führen wird. Wir wissen bloß, dass sie stets unter Schmerzen geboren wird.  -G'kar

Diese zwei Departments der Produktion haben sicherlich den Löwenanteil der Kosten verschlungen. Um bei den Sets sparen zu können, wurden Alltagsgegenstände nicht extra designt, sondern schlicht bei IKEA und Co eingekauft. Das Argument dahinter: Ein Stuhl sieht seit tausend Jahren wie ein Stuhl aus und wird das auch in  zweihundert Jahren noch tun. Hier konnte man sich Designzeit und Baukosten sparen. 

Einer der vielschichtigsten Bösewichte der TV-Geschichte. Alfred Bester, Psi-Cop und wahrscheinlich Walter Koenigs beste Darstellung. 
 

Der Fokus der Serie liegt auf dem militärischen Personal der Station und den Botschaftern. Da es sich um eine Raumstation handelt, die von der Erdallianz gebaut wurde, konnte man unterstellen, dass die Botschafterquartiere relativ ähnlich zueinander sein mussten, ebenso wie die Quartiere des Personals untereinander - natürlich je nach Rang. Um beispielsweise von Commander Susan Ivanovas (Claudia Christian) Quartier zu dem von Sicherheitschef Michael Garibaldi (Jerry Doyle) zu wechseln, wurden einige Wände verrückt, die Einrichtung umpositioniert, die Deko ausgetauscht und die Beleuchtung verändert - fertig! Abgesehen von einigen feststehenden Sets wie der Brücke und dem hydroponischen Garten wurde das Prinzip so durchdekliniert. In Kombination mit häufig eingestreuten längeren Shots, in denen man sich unterhaltend durch die Stationsgänge bewegt, entsteht ein glaubhafter Eindruck von Größe. Diese Sequenzen sind zudem selten geschnitten und es herrscht oft rege Betriebsamkeit um die handlungstragenden Figuren herum. 

Etwas, was mir erst wieder beim erneuten Anschauen der Serie vor zwei Jahren aufgefallen war: einige Quartiere und Büros befinden sich entlang der innen hohlen Stationstrommel. Durch die Mitte führt eine Einschienenbahn, um rasch die Station durchqueren zu können. Auf der Oberfläche der Innenseite der Trommel wurden hauptsächlich Gärten angelegt; vermutlich neben dem praktischen Nutzen auch ein Verweis auf die Namensgeberin der Station. Jedenfalls ist der Bereich im Inneren der Station so groß, dass durch die Schwerkraft erzeugende Rotation der Trommel Wind entsteht. Wenn man darauf achtet, sieht man immer wiedet durch Fenster mit Ausblick auf das Innere der Station wie die Pflanzen am Fenster in steter, sanfter Bewegung sind. Unabhängig davon, ob das physikalisch korrekt ist - das habe ich nicht recherchiert -  zeigt das jedoch wie detailverliebt man zu Werke gegangen ist.

Bislang haben wir über Masken, Kostüme und Sets gesprochen. Für eine SciFi Serie gibt es jedoch noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Raumschiffe und Kämpfe im Weltall. Aufgrund des Aufwands und der Kosten für echte Modelle, kam eine traditionelle Produktion nicht infrage. Zudem waren die geplanten Designs teilweise recht exotisch. Die Schiffe der Erdallianz sehen noch recht konventionell aus, muten dafür aber auch in Realität machbar an und hätten als Modell sicherlich funktioniert. Spätestens beim Animieren der kleinen Starfury Raumjäger hätte man ein Problem gehabt. Diese bewegen sich physikalisch korrekt durch den Raum, haben Schubdüsen in jede Richtung und können blitzschnell ihre Position verändern. Mit ausreichend Zeit und Budget wäre sicherlich auch das noch gegangen, aber genau das stand der Serie eben nicht zur Verfügung. Am Ende wären jedoch die teils sehr fremdartig anmutenden Schiffe der Außerirdischen wohl der Todesstoß für eine traditionelle Produktion gewesen.

Es ist einfach etwas zu finden, für das es wert ist zu Sterben. Doch hast du etwas, für das es sich lohnt zu Leben? - Lorien 

Zum Glück war 1990 der Amiga Video Toaster erschienen. Dabei handelte es sich um einen Computer, der über eine für die damalige Zeit revolutionäre Schnitt- und Editingsoftware verfügte. Ergänzt durch die LightWave3D Software ließen sich in akzeptablen Zeitspannen digitale Effekte erstellen. 1994 galt die Amiga Hardware bereits als hoffnungslos veraltet, aber die Software machte diesen Nachteil wieder wett. Dass das dickste Paket zudem bereits für etwa 4.000 USD zu erwerben war, hatte vermutlich den Ausschlag gegeben, vollkommen auf digitale Effekte für den Weltraum zu setzen. Mit Erfolg. Man merkt der ersten Staffel an, dass sich das Effektestudio Foundation Imaging erst noch an die Möglichkeiten der Technik gewöhnen musste, aber schon hier wurde klar, dass selbst die kleinen Gefechte deutlich dynamischer inszeniert waren als in TNG oder DS9. Ich mag Star Trek, aber Weltraumgefechte sind einfach nicht deren Stärke. In aller Regel stehen die Schiffe mehr herum, als dass Bewegung drin ist. Beamtenmikado als Kriegsform - Sun-Tzu würde vermutlich weinen. 

Starfurys schwirren um die Station herum

Jetzt hab ich so viel Zeit in die Erläuterung der Produktionsumstände gesteckt, dass die Frage nahe liegt, ob man Augenkrebs riskiert, sollte man sich die Serie heute anschauen. Das kann ich defintiv verneinen. Wer den Artstyle grundsätzlich scheußlich findet, würde auch mit einer aufgepimpten Version niemals glücklich werden. Bereits damals schieden sich hieran die Geister, was ich sogar als Fan der Serie nachvollziehbar finde. Das Ergebnis ist, gemessen am Budget, dennoch beeindruckend. Manchmal sieht man halt die Limitierungen. Andererseits: wer einmal in der Bluray-Veröffentlichung von TNG den  überall aufgeklebten schwarzen Karton auf den Displays gesehen hat, der ungewollte Spiegelungen überdecken sollte, wird ihn auch nie wieder ungesehen machen können.  

Im Rückblick lässt sich heute sagen, dass die praktischen Effekte von TNG und DS9 aus dem gleichen Zeitraum deutlich besser gealtert sind als die digitalen von B5. Diese wurden im Remaster der Bluray Veröffentlichung im Dezember 2023 zwar deutlich aufgewertet, aber im Grunde müsste man sie komplett überholen. Wieder einmal fehlte der finanzielle Rückhalt seitens Warner. Blöde Penner! 

An der Stelle sei eine Kaufwarnung ausgesprochen: wer die Serie zum ersten Mal oder erneut sehen möchte,  sollte ausschließlich nach der DVD Veröffentlichung oder der Remaster-Edition Ausschau halten. Die bei den Streamern angebotene Bildqualität der alten Version entspricht einem VHS Ripp der Fernsehausstrahlung aus den Neunzigern und ist ein Schlag ins Gesicht. Kleiner Wehrmutstropfen der Remastered Edition: sie ist ausschließlich in englischer Sprache verfügbar. Wer die wirklich tolle deutsche Synchronisation genießen will, nimmt mit den DVDs Vorlieb, die als Trostpflaster für das schlechtere Bild in 16:9 daher kommt. Alle anderen Veröffentlichungen sind ausschließlich in 4:3 Bildformat abrufbar.

Wenn, dann diese Version.

Babylon 5 war die letzte der Babylon-Stationen. Es würde nie eine weitere geben. Sie hat die Zukunft verändert und sie hat uns verändert. Sie lehrte uns, dass wir unsere Zukunft erschaffen müssen, weil andere es sonst für uns tun. Sie zeigte uns, dass wir uns umeinander kümmern müssen, denn wer außer uns sollte es tun? Wahre Stärke kommt manchmal aus den unwahrscheinlichsten Richtungen. Meistens jedoch, glaube ich, gab sie uns Hoffnung, dass es immer einen Neuanfang geben kann. Sogar für Leute wie uns. - Ivanova 

Eine kleine Neuerung, von der damals wenig Nutzer profitieren konnten, war das Tonformat. Als eine der ersten TV-Serien wurde B5 in Dolby Surround mit einem 4-Kanal-Mix (Links, Mitte, Rechts, Mono-Rear) produziert. Dadurch wurden Raumklangeffekte möglich, die auch heute noch sehr gut klingen. Allerdings wird man als Zuschauer schnell etwas getäuscht, da einige der Sounds der Raumschiffe, wie der vorbeifliegenden Shadow-Crabs, Teil des Scores sind. Der wurde vom Deutschen - yeaaaaaah, Doitscha! - Christopher Franke komponiert und stellt auch heute noch einen der Komplexeren im Serienbereich dar. Damals jedoch empfand ich ihn als einzigartig. Abgesehen von der Mischung aus vom Berliner Filmsymphonieorchester in Berlin aufgenommen Partituren und am PC erstellter elektronischer Musik, war der Abwechslungsreichtum und die Stellung innerhalb der Erzählung ungewöhnlich für eine Serie. In der Regel gab es ein prägnantes Stück für das Intro und sonst hauptsächlich unauffälliges Hintergrundgedudel, das vor allem nicht stören durfte. Für B5 komponierte Franke etwas mehr als fünfzehn Stunden Musik, die teilweise ihren Weg auf Scheibe fanden. Natürlich werden hier auch einzelne Stücke wiederholt, variiert und Themen aufgegriffen, aber dass man sich die Mühe gemacht hatte einen derart umfangreichen Score zu produzieren, der ebenfalls auf das Worldbuilding einzahlen konnte, war damals nicht selbstverständlich gewesen.

Ungewöhnlich für die Zeit war auch das Serienkonzept. Wie ich weiter oben bereits angerissen habe, waren One-Shot-Episoden die Normalität im TV-Alltag. Manchmal gab es einen Zweiteiler in einer Serie, aber das war es dann auch schon. Die Sender bevorzugten Shows, in die die Zuschauer jederzeit einsteigen konnten, ohne großes Vorwissen zu benötigen. Dieser Umstand machte es JMS schwierig die Show zu pitchen. Er schrieb in den 80ern einen vollständigen Handlungsbogen, der sich über fünf Jahre erstrecken sollte. Miteinander verzahnte Geschichten und Schicksale, Wendungen und langfristig angelegte Entwicklungen verlangten aber vom Zuschauer dabeizubleiben. Es gab Miniserien, die einen Handlungsbogen boten, aber so etwas? Die Sender waren sich fast durchgehend einig: Das kann nix werden! Schließlich bekam man bei Warner eine Chance und nach einem in meinen Augen extrem durchwachsenen Piloten bekam man grünes Licht für die erste Staffel. Die musste sich noch etwas den damaligen Standards beugen, zeigte aber bereits ihr Potential. 

Dankenswerterweise verzichtete man auf minutenlange Rückblicke vor den jeweiligen Folgen, um nochmal zu erklären wer wer ist und was gemacht hat. Ich werde hier als Zuschauer für voll genommen. Wurde doch einmal auf ein sehr lange zurückliegendes Ereignis rekurriert, löste man das mittels sehr kurzer Flashbacks. Reicht vollkommen aus und nimmt nicht unnötig Screentime weg. 

 

Gringo, nimm deine Inhaltsangaben und raus aus der Stadt!

Es gibt Momente, in denen wir alle plötzlich jemand anders werden, etwas anderes als das, was wir sind. Es dauert nur einen Moment, aber wir verbringen den Rest unseres Lebens damit in Schande darauf zurückzublicken. - Delenn 

Stück für Stück übernahm JMS mehr kreative Kontrolle über die Produktion und erreichte schließlich, dass er ab Staffel drei der alleinige Autor war. Erst in Staffel fünf durfte Neil Gaiman ein Skript beisteuern. Somit schrieb JMS insgesamt 92 von 110 Folgen der Serie. Ein Aufwand, der sich am Ende ausgezahlt hat. Nicht alle Skripts sind auf hohem Niveau, ein paar wenige sogar leidlich schrecklich, aber mir fallen nur wenige Serien ein, die eine derart konsistent hohe Skriptqualität hatten. Zudem werden einige Kniffe vermieden, die ich inzwischen richtig ätzend finde. Wenn man eine Staffel vollbekommen musste und Skripte fehlten, löste man sowas gerne über Rückblendenfolgen, in denen nichts Essentielles passierte. Es gibt keine Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Folge oder eine Musical-Episode. Fillerepisoden, die nicht auf die Haupthandlung einzahlen, gibt es ebenfalls kaum. Obendrein zieht man eine Handlung nicht ewig hinaus, nur um eine Filmplot auf Serienlänge zu strecken. *schieltzumodernenSerienrüber*. 

Babylon 5 wurde entsprechend JMS' Masterskript in fünf Kapitel unterteilt, die jeweils einen eigenen Namen haben. Ich nutze hier die englischen Titel, da man aus Gründen (!?) die deutschen Staffelnamen inzwischen teilweise abgewandelt hat und diese nun entweder unsinnig oder mit Spoiler behaftet sind.

Staffel 1    -    Signs and Portents

Staffel 2    -    Coming of Shadows

Staffel 3    -    Point of No Return

Staffel 4    -    No Surrender, No Retrat

Staffel 5    -    Wheel of Fire

Die jeweiligen Hauptthemen fand sich auch im Score des Intros wieder, die für jede Staffel komplett neu erstellt wurden. Das war nicht nur ungewöhnlich - selbst heute macht das kaum eine Serie - sondern normalerweise sehr teuer. In der Regel wurden diese Sequenzen von externen Studios entworfen. Hier konnte man dies jedoch Dank der vorhandenen Technik in-House erledigen. Das Intro spiegelte die Stimmung der Handlung wieder. Von einer neutralen, eher geheimnisvollen Intromusik wird diese mit steigender Bedrohungslage von Staffel zu Staffel immer düsterer und martialischer. Die Introtexte veränderten sich ebenfalls jedes Jahr. Gesprochen wurden diese im Original stets von einer der Figuren des Hauptchasts. In Staffel vier, die aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten lange Zeit als das Finale der Serie galt und entsprechend umstrukturiert wurde, sprachen alle Figuren eine Zeile des Textes ein, damit die Zuschauer nicht wussten, wer dieses Mal überleben würde. Schließlich arbeitete man auf das Finale des Krieges hin und buchstäblich alles stand auf dem Spiel. Mitten in der Produktion der vierten Staffel entschied man sich der Serie doch noch eine fünfte zu gönnen - mit gekürztem Budget natürlich. Daher fühlt sich die finale Season leider wie eine Art Addendum an. Dennoch wurden auch hier noch tolle Geschichten erzählt, das Universum sinnvoll weiterentwickelt und die Serie mit Sleeping in Light auf passende Weise abgeschlossen. In einer der letzten Einstellungen, bevor die Station außer Betrieb genommen wird, schaltet JMS höchstselbst, als Techniker verkleidet, die Lichter aus. 

Kein Diktator, kein Eroberer kann ein Volk auf unbestimmte Zeit unterdrücken. Es gibt keine größere Macht im Universum als der Wille zur Freiheit. Gegen diese Macht kann keine Regierung bestehen, noch ein Tyrann mit seiner Armee. Die Centauri haben diese Lektion schon einmal gelernt. Wir werden sie ihnen ein weiteres Mal lehren. Selbst wenn es tausend Jahre dauert, wir werden FREI sein. - G'kar  

Das Drumherum haben wir also geklärt. Wie ist es denn um die Handlung bestellt? Kann man sich das heute noch geben?

Fanartwork zum Omega-Klasse-Erdzerstörer
 

Kurze Antwort: Ja! Warum? Die Motive der Geschichten sind zeitlos. Toleranz, Humanismus, Rechtsstaatlichkeit, Zivilcourage und die Auseinandersetzung mit ethischen Grundsätzen durchziehen die gesamte Serie. Dabei wird nie der moralische Zeigefinger erhoben. Die Figuren streiten um ihre Standpunkte und Prinzipien, sind aber nicht dogmatisch, also nicht blind für die Sichtweisen des anderen. Es sind dementsprechend produktive Streits, die auch entsprechende Folgen in den Handlungen oder Figurenentwicklungen haben können, kein Herumgezicke um des Drama Willens. Dabei machen nahezu alle Figuren enorme Veränderungen über die Staffeln hinweg durch. Wenn Figuren unklug handeln, dann weil ihre Überzeugungen ihren Verstand überstimmen oder Charakterschwächen sie abgleiten lassen. Sie sind überzeugt die Kontrolle zu haben, obwohl sie sie schon lange verloren haben. Sie handeln also nachvollziehbar und nicht künstlich dumm, nur damit Plot geschehen kann. 

Alle Charaktermomente - und derer gibt es viele in der Serie - sind hart erarbeitet. Keiner Figur kommt etwas zugeflogen. Sie alle müssen Verluste hinnehmen, harte Entscheidungen treffen, Freunde können zu Feinden und Todfeinde sogar zu Freunden werden. In nahezu jeder Episode findet sich mindestens ein Zitat, das es wert ist gemerkt zu werden, selbst wenn es sich nur um einen Gag handelt. Humor wird nämlich groß geschrieben in B5

Man muss jedoch keinen Marvel-Humor befürchten. Es werden nicht einfach One-Liner herausgehauen oder sich im kindischen Sarkasmus gesuhlt. Fast der gesamte Humor entsteht aus der Interaktion der Figuren miteinander. Sei es, dass eine Zankerei ins Absurde abgleitet, jemand vergeblich versucht lustig zu sein oder eine beabsichtigte Handlung nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Ein schönes Beispiel findet sich in einer Diät, die Doktor Franklin (Stephen Biggs) Garibaldi, Ivanova und Captain John Sheridan (Bruce Boxleitner) angedeihen lässt. Alle drei müssen ihre Ernährung auf andere Weise umstellen. Sie hassen es vom ersten Augenblick an. Während sie in der Mittagspause etwas besprechen wollen, stellen sie fest, dass der jeweils andere etwas hat, was man viel lieber futtern will. Also tauschen die drei untereindander, bis Dr. Franklin auftaucht und wie ein missmutiger Lehrer über die Schultern blickt. Geknickt wird zurückgetauscht und lustlos gemampft.  

Schön finde ich, wie organisch sich die Dinge auf der Station über die Jahre hinweg verändern. Zum Beispiel sind viele Leute des Brückenpersonals über den größten Teil der Serie hinweg dabei. Sie haben selten Text aufzusagen, sind aber immer da, werden befördert, feiern und leiden mit, wenn wichtige Ereignisse passieren. Alles wirkt wie eine professionelle Arbeitsumgebung und nicht wie der Nonsense, der in NewTrek inzwischen gern gezeigt wird. In diesem Punkt hatten das Star Trek der Neunziger und Babylon 5 vieles gemeinsam. Es wirkte glaubhaft, dass hier Menschen miteinander arbeiten. Es gibt Hierarchien, Rechte und Pflichten, Arbeitsabläufe, die eingehalten werden müssen. Das mag zunächst wie eine Limitierung der Schreiber klingen, zahlt aber auf die Immersion ein. Rechtswidrige Handlungen müssen Konsequenzen haben, denn sonst sind sie beliebig und ohne Spannung.

Weißt du eigentlich, wie lecker heißer, schwarzer Kaffe is?

Spoilerwarnung für die, die sich davor fürchten. 

Zwei große Handlungsbögen, die sich parallel entwickeln, betreffen zum einen die sich verändernde politische Lage auf der Erde und zum anderen einen klassischen, fast fantasyhaften Kampf der Mächten des Bösen gegen die Armee des Lichts. Es gibt sogar augenzwinkernde Bezüge zum Herrn der Ringe. Lorien, eine Figur aus der vierten Staffel, ist nicht nur nach dem Goldenen Wald benannt, in dem Galadriel lebt. Er hat goldene Augen und erinnert verdächtig an Gandalf. Die Heimat der bösen Schatten wiederum nennt sich Za'ha'dum, was wiederum an die von den Orks überrannte Zwergenbinge Khazad-dum angelehnt ist. Dabei wird der klischeebehaftete Kampf der Mächte auf mehrere Weisen ironisch gebrochen. Getreu dem Babylon 5 Motto, dass nichts und niemand das ist, was er oder es zu sein vorgibt, wird klar, dass die Rollen von Gut und Böse nicht so klar verteilt sind, wie den Zuschauern weisgemacht wurde. Erst als die Figuren der Serie dies ebenfalls erkennen und den Grundkonflikt verstehen, der Vorlonen und Schatten antreibt, können sie den Kreislauf der Gewalt durchbrechen und konfrontieren die sonst fast gottgleich wirkenden alten Völker mit ihrem Fehlverhalten, das in Borniertheit, gekränktem Ego und ihrer eigenen Angst fußt. Der finale Dialog zwischen den auf einmal beinahe kindlich wirkenden Vorlonen und Schatten mit Lorien gleicht einer Dekonstruktion der Erzählweise dieser Art Fantasygeschichten:

Lorien: So wie ich als euer Lehrer zur Seite getreten bin, müsst ihr nun das Gleiche tun. Unser Zeitalter ist vergangen. Dieses gehört nun den jüngeren Völkern. Sie haben gelernt auf eigenen Füßen zu stehen. Sie haben gelernt alles zu verstehen. Es ist Zeit sie gehen zu lassen.

Schatten: Wirst du mit uns kommen?

Lorien: Ich bin seit dem Anbeginn hiergewesen. Ich werde euch jetzt nicht verlassen. Ich werde mit euch über die Grenze der Galaxis gehen, wo wir all diejenigen wiedersehen werden, die vor uns gegangen sind. All jene, die wir schon so lange vermisst haben.

Vorlone: Dann werden wir nicht alleine sein?

Lorien: Nein. Ihr seid nie allein. 


Ein letzter Aspekt, den ich ansprechen möchte, ist das gelungene Zusammenspiel von Handlungsaufbau und Foreshadowing in der Serie. Exemplarisch zeige ich das am zweiten großen Handlungsbogen, dem Kampf um die Erde. 

In Staffel eins wird die Homeguard vorgestellt. Ein xenophober Haufen Drecksäcke, der auf der Erde Stimmung gegen Außerirdische macht und behauptet sie würden Einfluss auf die Regierung nehmen. Auf der Station mündet das dann in Übergriffen auf verschiedene Aliens. Während man noch glaubt es mit einigen wenigen Knallchargen zu tun zu haben, wird mit dem Anschlag auf Präsident Santiago klar, dass die Homeguard stärker ist als zunächst gedacht oder gar Hilfe von einer Dritten Partei gehabt haben muss. Garibaldi wurde bei der Aufklärung einer Verschwörung gegen den Präsidenten jedenfalls von einem seiner eigenen Leute in den Rücken geschossen. Die Öffentlichkeit glaubt jedoch, dass der Anschlag in Wirklichkeit ein Upsi war. "Dumm gelaufen, Achselzucken und weiter gehts!"

Schließlich wird Commander Sinclair zum Beginn von Staffel zwei seines Postens enthoben und durch Captain Sheridan ersetzt. Der ist ein Held des Erde-Minbari-Kriegs und die xenophoben Kräfte auf der Erde glauben in ihm einen Mann gefunden zu haben, der ihre Sichtweisen teilt. In Wirklichkeit gehört Sheridan einer Gruppe von hochrangigen Militärs an, denen die Entwicklungen auf der Erde Sorgen bereiten. Man versucht herauszufinden, ob ein Staatsstreich stattgefunden hatte und wer darin verwickelt war. Am besten findet man dabei einen Weg aus der Misere ohne gegen Gesetze zu verstoßen oder einen offenen Kampf vom Zaun zu brechen. 

Du hast den Verdächtigen wieder ohne mich gefoltert, oder?!

Im Laufe des Jahres 2259 verschlechtert sich die Situation weiter auf der Erde. Garibaldis Attentäter verschwindet auf dem Überführunsgflug zur Erde und entkommt so der Gerichtsbarkeit. Das Ministerium für Frieden wird gegründet, dem eine paramilitärische Einheit namens Nightwatch untersteht. Vertreter von Nightwatch besuchen die Station, um Ivanova umzudrehen und Stationspersonal anzuwerben. Sie sollen die Augen aufhalten, umstürzlerisches Verhalten melden und eine Armbinde tragen. Dafür bekämen sie wöchentlich etwas Extraknete überwiesen. Zack Allan (Jeff Conaway), der Garibaldis Team angehört, denkt sich nichts dabei. Was soll schon passieren? Er muss doch ohnehin das Gesetz hüten. Die Gelegenheit scheint günstig. 

Den Zuschauern werden beim Anblick von Uniformen mit Armbinden sofort Nazi-Vergleiche in den Sinn kommen - womit sie vollkommen richtig liegen. Es wird klar, dass die Erde langsam aber sicher zum Überwachungsstaat ausgebaut wird. Währenddessen, ganz dezent, verändert sich der Ton der Berichterstattung im Sender ISN, der immer wieder in der Serie eine Rolle spielt.

Wenn Ivanova im Outro der zweiten Staffel zu Bildern von Läden, die geschlossen, und Menschen, die abgeführt werden, sagt: "Manchmal ist Frieden nur ein Synonym für sich Ergeben, weil Geheimnisse keine Geheimnisse mehr sind.",  wird der Ton für die dritte Staffel gesetzt. Die Zuschauer können sich auf wahrlich düstere Aussichten einstellen. 

Diese werden dann auch eingelöst. Nicht umsonst proklamiert der Introtext der Staffel, dass die Station nicht länger die letzte Hoffnung auf den Frieden, sondern den Sieg sei. Während der Druck von Nightwatch auf Stationspersonal wie Zack Allan wächst, findet man endlich den Beweis für die Beteiligung von Präsident Clark an der Ermordung seines Vorgängers. Die verräterische Aufnahme des Gesprächs wird an die Presse durchgestochen, was zunächst Chaos in der Erdregierung auslöst. Sheridan und seine Mitverschwörer hoffen, dass bald alles wieder seinen rechten Weg gehen wird. In den Folgen danach wird es zunächst verdächtig still um das Thema. Die Konklusion aller bisherigen Entwicklungen findet in einem Dreiteiler statt, der mit Messages from Earth beginnt.

Für das Wite-Star-Design stand der Pelikan Pate

Die Nachricht, dass die Erde bei Ausgrabungen auf Ganymed ein Schattenschiff gefunden hat, veranlasst Sherdian mit der White Star hinzufliegen, um das Schiff zu zerstören, bevor es aktiviert werden kann. Er lässt seine Uniform zurück auf B5 und fliegt in zivil, was zeigt, dass er mit seiner Zukunft in den Erdstreitkräften hadert. Die Folge endet dann damit, dass er beinahe gegen seine ehemalige Crew auf dem Erdkreuzer Agamemnon kämpfen muss. Ein weiteres Foreshadowing auf bald eintretende Ereignisse. Er vermeidet die Auseinandersetzung und entkommt unerkannt.

Kaum auf der Station angekommen, ruft die Erdregierung das Kriegsrecht aus und lässt Nightwatch das Kommando übernehmen. Doch noch immer ist Sheridan nicht bereit mit der Erdregierung zu brechen. Er löst in Point of No Return die Situation ein weiteres Mal unblutig. Das Recht ist für den Moment auf seiner Seite. Das meuternde Sicherheitspersonal führt nämlich illegale Befehle aus, da Nightwatch und deren Ministerium kein Teil der militärischen Kommandostruktur sind. Doch er braucht Zack Allans Hilfe, um seinen Plan umzusetzen. Zeit auch für Zack sich zu entscheiden. Die Aufrührer werden schließlich festgesetzt, entwaffnet und vorübergehend in Hausarrest gesteckt bis die Befehle von offizieller Stelle bestätigt werden. Sheridan hofft, dass seine Mitverschwörer in den Streitkräften in der Zwischenzeit die Putschisten stürzen können.

Auch diese Hoffnung zerschlägt sich. In der Folge Severed Dreams brechen überall im Erdterritorium Kämpfe zwischen Loyalisten und Separatisten aus. Stationen und Außenposten sagen sich von der Erdregierung los, Zivilisten werden auf dem Mars bombardiert, der Sender ISN von Regierungstruppen gestürmt, als man die Wahrheit über die aktuellen Ereignisse berichten will. Der befreundete Erdkreuzer Alexander trifft bei B5 ein und sucht Schutz. Als dann noch die Churchill auftaucht und bekannt gibt, dass eine Flotte auf dem Weg ist, um die Station zu übernehmen, müssen Sheridan und die anderen eine Entscheidung treffen. Aufgeben oder Kämpfen? Da es nicht nur um sie geht, sondern um eine Viertelmillion Bewohner der Station, die zu schützen man geschworen hat, entscheidet man sich für Letzteres. Babylon 5 sagt sich ebenfalls von der Erdregierung los und stellt sich in einer großartig inszenierten Schlacht dem faschistischen Feind. Im Weltraum und auf der Station werden Kämpfe ausgefochten und dabei gezeigt wie schmutzig die zukünftigen Schlachten sein könnten.


Das ist der Unterschied. Diesmal kennen wir die Leute, die wir umbringen. - Major Ed Ryan

Nachdem die Angreifer knapp geschlagen sind, taucht eine weitere Flotte auf. Sheridan weiß, dass die Station nicht zu halten sein wird und ist schon im Begriff aufzugeben, als Delenn (Mira Furlan) mit einer Flotte Minbarischiffe auftaucht, um dem alten Feind, einem irdischen Kriegshelden, zur Seite zu stehen. Die Erdschiffe brechen den Angriff ab und ziehen sich zurück. Mit dem Ablegen seiner Uniformjacke vollendet sich sich Sheridans Transformation zum Staatenlosen und er befindet sich in einem weiteren Moment der Transition bzw Übergang. Es handelt sich dabei um ein wiederkehrendes Motiv der Serie.

Diese Art cleveren, vorausschauenden Writings findet sich immer wieder in B5 und es macht Spaß zu sehen wie sich Ereignisse entwickeln, nachvollziehbare Konsequenzen haben und Puzzleteile an ihren Platz fallen. 

Sehen Sie, ich bin überzeugt, wenn wir einen Ort verlassen, dann geht nur ein Teil von uns weg. Ein anderer Teil bleibt für immer zurück. Gehen Sie an irgendeinen Ort auf der Station, wo es ganz still ist Lauschen Sie! Und nach einer Weile werden Sie das leise Echo all unserer Gespräche hören. All der Gedanken und Worte die wir gewechselt haben. Auch lange nachdem wir fort sind, wird man unsere Stimmen innerhalb dieser Wände hören können. Genausolange wie diese Station fortbesteht. Aber ich muss zugeben, das der Teil von mir, der fort geht, den Teil von Ihnen der hier bleibt sehr vermissen wird. - G'Kar

Nach all der Lobhudelei, gibt es nichts zu Meckern? Selbstverständlich ist nicht alles gelungen an der Serie. Manche Plotlines führen nirgendwo hin, es gibt besonders in der ersten Staffel einige schwache Episoden, die sich gerne auch etwas ziehen. Manchmal wirkt das Bühnenbild einen Tick unfertig, die digitalen Effekte sind nicht gut gealtert und auch ich kann mich über das eine oder andere Plothole beömmeln. Gerade der Start war sehr holprig. Dennoch bleibe ich dabei: Babylon 5 ist mein Must-Go, wenn es um SciFi der 90er und 2000er geht.  

 

Und die Zukunft des Franchises? Seit einigen Jahren hat JMS ein Reboot der Reihe in der Schublade, das ich nur zu gerne sehen würde. Doch wie er noch im Frühling auf Bluesky bekannt gab, gibt es derzeit keine Neuigkeiten, da in Hollywood nach wie vor alles "on hold" sei und kaum Entscheidungen zu weiteren Produktionen getroffen wird. 

Am Ende bleibt nur Lorien zu zitieren: "Hoffnung ist alles, was wir haben." 

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Zwei Cent für den Dummbrunnen

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