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Ein Stall voller erschossener Pferdchen

 


Nachdem ich in den letzten Wochen wieder ganz böse war und schrecklich viel Gestänkert habe, wird es Zeit mal wieder eine Produktion zu loben. Seit Beginn der Pandemie etwa begann mein Interesse für Serien zu erlahmen. Man wurde seither beinahe mit einer Masse an mittel- bis unterklassigen Produktionen aus der Vorhölle, die ich Streamingdienst nenne, erschlagen. Filme wurden zu mehrstaffeligen viel zu lang gezogenen Serien zurückentwickelt, die nur einer Funktion dienen: "Haltet die Abonennten so lange wie möglich im eigenen Programm! Hauptsache sie gucken nichts bei der Konkurrenz." 

Ab und an kommt aber doch noch etwas Sehenswertes heraus.

So geschehen auf AppleTV mit der bislang vier Staffeln laufenden Serie Slow Horses von Showrunner Will Smith. Nein, nicht der Backpfeifen-Will, sondern der britische Autor und Comedian. Wie die meisten guten Serien der letzten Jahrzehnte, basiert auch Slow Horses auf einer Buchserie. Die inzwischen acht Hauptbände umfassende Reihe Slough House von Mick Herron erscheint seit 2010 - und wenn die bisherige Qualität gehalten werden kann, hoffe ich, dass man alle Bücher umsetzen wird.

Im Slough House landen all die MI5 Agenten, die Mist gebaut, an falscher Stelle den Mund zu voll genommen oder im Intrigenspiel versagt haben oder schlicht zu nervig sind, um sie jeden Tag ertragen zu können. Abgeschieden vom geradezu glamourösen Hauptgebäude des MI5, steht das unauffällige Bürogebäude. Nur möglichst weit weg, damit sich die Profis nicht noch versehentlich mit der Unfähigkeit infizieren, die man den Agenten im Slough House zuschreibt. Dort landet der in Ungnade gefallene Agent River Cartwright (Jack Lowden), nachdem er in einer Übung versehentlich die London King's Cross Station lahmgelegt hatte. Während viele andere sich mit ihrem Schicksal im Slough House abgefunden haben, will River mit aller Gewalt wieder zurück in den aktiven Dienst. 

Sich mit seiner neuen Lebensrealität abzufinden fällt ihm demnach nicht leicht, genausowenig wie sein neuer Boss. Das Slough House wird nämlich vom Kalten Krieg gezeichneten Agenten Jackson Lamb (Gary Oldman) geleitet, der gleich aus mehreren Gründen dort gelandet ist. Er ist unbequem, rechthaberisch, macht was er will, weiß zu viel, säuft wie ein Loch und stinkt derart, dass man glaubt ihn im heimischen Wohnzimmer riechen zu können. 

Was macht die Agententhriller-Serie überhaupt sehenswert? Zum einen sind es die fantastischen Darsteller. Ausgerechnet Gary Oldman mal derart heruntergekommen sehen zu können, ist schon ein Genuss an sich. Allein wie er Nahrung in sich hineinstopft... widerlich. Er gibt den fluchenden, ungewaschenen, respektlosen Veteranen mit einer Leichtigkeit, als hätte er sein Leben lang auf diese Gelegenheit gewartet. Er ist jedoch nicht das einzig bekannte Gesicht. Jonathan Pryce, Kristin Scott Thomas und Hugo Weaving beispielsweise sind ebenfalls in wiederkehrenden Rollen zu sehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die gut geschriebenen Charaktere und Geschichten um die Slow Horses. Die Figuren handeln aus nachvollziehbaren Motivationen heraus und wenn das bedeutet etwas Dummes zu tun, dann kann das halt auch mal auf dem Friedhof enden. Man sagt der Buchreihe nach sie sei ein satirischer Seitenhieb auf die bierernsten Agententhriller von John le Carré . Eine Qualität, die man ebenfalls in der Serie zu spüren bekommt. Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet Gary Oldman hier die Antithese zu seinem geschniegelten George Smiley aus der le Carré Verfilmung in Bube, Dame, König, Spion spielt. Ein Film, den ich im übrigen ebenfalls sehr empfehlen kann.

Die Geschichten enthalten eine gute Portion Action, aber Charakterspiel und Dialog spielen eine übergeordnete Rolle. Man sollte also keinen James Bond erwarten, sondern geerdetes Storytelling. Zudem, und damit schließt sich der Kreis zum Anfang des Beitrags: Jede Staffel umfasst nur sechs Folgen und langweilt nicht mit Fillerepisoden oder künstlich gestreckten Plotfragmenten. Dadurch, dass in den Staffeln immer nur wenige Tage Zeit vergehen, wird ein zügiges Pacing erreicht und in aller Regel auch gehalten. 

Bitte mehr davon ab September in Staffel 5.

PS: Auch der Titelsong von Mick Jagger ist klasse. 

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