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Der Comicfilm der Anderen

1958 - Hellboy reist im Film "The Crooked Man" mit zwei Agenten der B.P.R.D. durch die USA, um eine Kreatur zur Behörde zurückzubringen, die sie in einer Kiste gefangen halten. Es kommt, wie es kommen muss: die Kreatur bricht aus, der Zugwaggon kippt von den Schienen und unversehens finden sich die Figuren in den düsteren Appalachen wieder, um die Kreatur erneut einzufangen. Dabei bekommen sie es mit allerlei Hillbillies, Hexen und dem namensgebenden Crooked Man zu tun, der auf der Suche nach Seelen für den Allmächtigen ist.

Als durchaus begeisterter Comicleser, der um Superheldenstoffe einen weiten Bogen macht, leide ich inzwischen unter der Schwemme an nieder- bis mittelklassigen Comicverfilmungen von DC und Marvel. Tatsächlich findet sich in meiner Comicsammlung lediglich ein Werk aus diesem Genre: Alan Moores "Watchmen". Richtig verstanden, ich besitze ausschließlich das Requiem auf das Superheldengenre. Ich denke, dass damit alles über meine Vorlieben gesagt ist. Ja, ich gebe zu, dass es durchaus einige wirklich gute Filmumsetzungen gab und gibt, jedoch ließ die Qualität in den letzten, sagen wir sechs Jahren, doch arg zu wünschen übrig. Spontan fallen mir lediglich "The Batman" und "The Suicide Squad" ein, die deutlich hervorstechen konnten.

Nun gibt es für Außenstehende hierzulande eigentlich nur folgende Comic-Kategorien: Superhelden, Frankobelgische Spaßnummern wie Asterix, Lucky Luke oder Marsupilami, Entenhausen und Manga. Auf jeden Fall nur für Kinder und Weirdos. Dabei ist der Markt mindestens so breit aufgestellt wie im Filmbereich. 

Eine besondere Nische hat der US-Amerikaner Mike Mignola mit Hellboy bezogen, einem übernatürlichen Ermittler und Schlagetot von Monstern. Zugegeben, er hat mal ein Crossover mit Starman und Batman bestritten, damit ist er aber mitnichten ein Superheld. Hellboys Geschichten sind tief in der Pulp Ära verwurzelt und nähren sich vom übernatürlichen Stoff der Mythen, Legenden und Märchen aus aller Welt. Ist etwas schräg, kurios, wildwuchernd albern und verstörend? Dann hat es das Potential die Geschichten des gehörnten Dämonensohns zu befeuern. Es fällt schwer das Genre exakt zu bestimmen. Im Grunde müsste man diese Frage jeweils für die einzelnen Geschichten beantworten. Grusel und Horror haben in den pulpigen Abenteuern sehr oft einen hohen Anteil. 

Erstmals wagte sich Guillermo del Toro 2004 an eine Verfilmung des Stoffes. Diesen Film und den Nachfolger "Die Goldene Armee" von 2008 mag ich sehr, obwohl sie sich weit von der Vorlage entfernt haben. Charaktere sind anders, der Humor wurde nach oben geschraubt, alles fühlt sich superheldiger an. Wahrscheinlich hat dieser Umstand den Stoff kompatibler für das Mainstreampublikum werden lassen, und das obwohl die Filme aus einer Zeit stammen, in der der Superheldenhype noch nicht existiert hat. Jedenfalls fehlen den Filmen die wahrhaft düsteren, komplexen und vor allem abgespaceten Untertöne. 

2019 ließ es sich Neil Marshall nicht nehmen uns mit seiner Hellboy Vision in "Call of Darkness" zu quälen. Die filmische Folter für ein Budget von knapp 50 Mio US-Dollar wollte viel zu viel bei unzureichenden Fähigkeiten der beteiligten Kreativen. Die Effekte sahen durch die Bank schrecklich künstlich aus und auch schauspielerisch blieb es bestenfalls beim Mittelmaß. Am Ende war es aber das Drehbuch, das dem Unterfangen das Genick brach. 

Eigentlich hatte ich erwartet, dass es das für die Marke gewesen sei. In meinen Augen hatte Call of Darkness zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Umso überraschter war ich, als 2024 aus dem Nichts ein Trailer zu "The Crooked Man" durch meinen Feed schlich. Selbst wenn nicht "Hellboy" dabeigestanden hätte, wäre ich aufmerksam geworden, da es sich bei der mit dem Eisner-Award ausgezeichneten Geschichte von 2008 um eine der besten der Reihe handelt; kongenial umgesetzt von Richard Corben. Nach einer wirklich kurzen Recherche war ich zumindest hoffnungsfroh, da neben Mike Mignola auch Christopher Golden am Drehbuch beteiligt war und mit Brian Taylor kein Unbekannter auf dem Regiestuhl saß. Von ihm sind unter anderem Crank, Gamer und die Serie Happy!.

In einem Punkt sollte meine Erwartung voll erfüllt werden: es wurde der erste Film, der sich dem ursprünglichen Stoff wirklich annähern konnte.

Hellboy versucht mal wieder so zu tun als wüsste er was ab geht.

Nach dem Desaster mit David Harbour von 2019, wurde das Budget auf 20 Mio US-Dollar gekürzt. Das entspricht in etwa der Gage, die Ryan Reynolds und Dwayne Johnson jeweils für ihre Präsenz im Filmunfall "Red Notice" erhalten haben. Ich weigere mich das, was dort geboten wurde, auch nur in die Nähe des Begriffs Schauspiel zu rücken. Allerdings sollte mit diesem Vergleich die Dimension des Budgets anschaulich werden.

Ich bin kleineren Budgets gegenüber nicht negativ eingestellt, im Gegenteil. Oft fordert dies von den Filmschaffenden innovative Lösungen für die Inszenierung zu finden und unnötigen Ballast wegzuschneiden. Allerdings ist auch klar, dass man kein Schlachtenepos mit extrem vielen Special Effects erwarten kann.  Das machte einen Film  gleich weniger attraktiv für ein Publikum, das das Effektgewitter liebt. Zugleich war mir mit der Wahl der Geschichte klar, dass der Fokus auf Grusel liegen würde. Die meisten Kinogänger kennen den roten Detektiv als Sprücheklopfenden Actionhelden und nicht als mürrischen, in sich gekehrten Typen, der die halbe Zeit nur ahnt auf was er sich da eingelassen hat.

Schwierigkeiten mit der Poduktionsfirma, Ketchup Entertainment musste für den Videorelease einspringen, und eine kaum vorhandene Werbekampagne waren dann der finale Sargnagel für den Film. In kaum einem Land lief The Crooked Man in den Kinos und wurde fast ausschließlich als VOD vertrieben. Es gibt auch eine Bluray- und UHD Fassung, jedoch ausschließlich im O-Ton. Dem geneigten Filmfan liegen also auf mehreren Ebenen Steine im Weg.

Dabei liegt hier ein durchaus patenter, von Horrorelementen durchzogener Mysteryfilm vor, der aus dem beschränkten Budget sehr viel macht. Der überschaubare Cast weiß in seinen Rollen zu überzeugen. Zu den bekanntesten Gesichtern zählt Jefferson White, der in Yellowstone oder Civil War (von Alex Garland,2024) mitspielt. Danach sollte Joseph Marcell in der Rolle des Reverend Watts das Erinnerungszäpfchen kitzeln; so spielte er in 146 Folgen der Serie "Prinz von Bel-Air" den Butler Geoffrey. Jack Kesy macht als Hellboy eine gute Figur, sollte jedoch den wenigsten etwas sagen. Bei kleinen Budgets keine großen Namen zu engagieren ist sinnvoll, da das Geld an anderer Stelle besser eingesetzt ist. Die Kehrseite hiervon ist jedoch weniger Werbekraft um die begrenzte Aufmerksamkeit und Zeit des Publikums.

Kommet, ihr Kinderlein! Opa hat Bonbons dabei.
 

Die meisten Effekte sind praktischer Natur und gut gelungen. Daneben fallen die wenigen CGI Kreaturen negativ auf. Daher ist es gut, dass sie immer nur ganz kurz zu sehen sind. Gedreht wurde in einem Waldabschnitt des Studios in Bulgarien, um die Appalachen nachzuahmen. Das Bild ist meist diesig, Nebelschwaden sind in vielen Szenen im Bild. Ein Umstand, der bei vielen Streamingdiensten durch die Kompression unzählige Artefakte entstehen lässt. Das hinterlässt einen unschönen, unruhigen Gesamteindruck der Optik des Films, was der Produktion nicht gerecht wird. Wer kann, greift auf ein physisches Medium zurück.

Die Budgetprobleme müssen am Ende derart krass gewesen sein, dass Regisseur Brian Taylor angab die Titelsequenz daheim mit Photoshop und After Effects fertiggebastelt zu haben. Ein wenig gleicht es einem Wunder, dass der Film überhaupt noch erschienen ist.

Ich bin froh über diesen Umstand, denn The Crooked Man ist ein spannender Film, der mit seiner unangenehmen, beinahe jenseitigen mystischen Grundstimmung, eher gruseln als erschrecken möchte. Es ist kein Film für jedermann, aber es ist die bisher beste Hellboy Umsetzung geworden.

Und für mich ist damit ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen.

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