In der Kategorie Zurückgeblickt habe ich heute gleich zwei Empfehlungen auszusprechen. Einen der beiden Filme habe ich erst vor Kurzem zum ersten Mal gesehen, den zweiten nach langer Zeit erneut. Für mich völlig unerwartet haben beide Filme einige Gemeinsamkeiten, weshalb es heute ein Double-Feature gibt.
Beim ersten Film handelt es sich um Mord mit kleinen Fehlern (1972) von Joseph L. Mankiewicz. Hier lädt der britische Krimiautor Andrew Wyke (Laurence Olivier) den Friseur Milo Tindle (Michael Caine) zu sich auf sein Landhaus ein. Der auf seine aristokratische Abstammung stolze Wyke fand unlängst heraus, dass Tindle mit seiner Frau ein Verhältnis hat. Statt eines Eifersuchtsdramas macht Wyke ein ungewöhnliches Angebot. Da er seiner Frau überdrüssig sei, eine Scheidung aber unnötig teuer, bietet er Tindle an, einen Einbruch zu inszenieren, bei dem er den wertvollen Schmuck seiner Frau entwenden soll. Ein passender Hehler stünde ebenfalls schon Gewehr bei Fuß und Wyke könnte obendrein die Versicherungssumme abzocken. Also ein Win-Win für beide Parteien. Für den zunächst skeptischen Tindle haben die darauffolgenden Stunden auf dem Anwesen einige äußerst aufregende Ereignisse im Repertoire...
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| Bei DEM Titel konnte ich nicht anders: Das dänische Filmplakat von Die Glücksritter |
Film Numero Zwo wird Die Glücksritter genannt und wurde 1983 von John Landis in Szene gesetzt. Die Besitzer der erfolgreichen und alteingesessenen Investmentfirma Duke & Duke entschließen sich nach einem Disput ein Sozialexperiment durchzuführen. Randolph (Ralph Bellamy) ist ähnlich wie viele Autoren der literarischen Gattung des Naturalismus Anhänger der Idee, dass der Mensch hauptsächlich durch sein Umfeld geformt und definiert wird. Würde man einen Penner von der Straße holen, in schicke Kleidung stecken, ein Dach über dem Kopf und einen gut bezahlten Job verpassen, dann würde sich der Penner in einen feinen Pinkel verwandeln und fortan ein gesetzestreuer Musterbürger sein. Umgekehrt würde besagter Musterbürger zu einem Kriminellen mutieren, wenn man ihm Geld, Job und Obdach nähme und ihn von seinen Freunden isoliere. Randolph und Mortimer (Don Ameche) schließen eine Wette über einen Dollar ab. Die übliche Summe, wie sich versteht. Einen Penner haben sie schon: Billy Ray Valentine (Eddie Murphy). Als Versuchskaninchen für die Verwandlung zum Abschaum finden sie in ihrer Firma schnell ein Opfer: Louis Winthorpe, der Dritte (Dan Aykroyd). Bei Alte-Weiße-Männer-forscht ist schließlich noch nie was schiefgegangen, oder?
ODER?!
ODER?!
Soweit so gut, aber was für Gemeinsamkeiten sollen diese Filme denn haben?
Zum einen bespielen beide Filme das Genre der gesellschaftskritischen Komödie. Keine Sorge! Es wird kein trockener Stoff geboten, maximal trockener Humor.
Zum anderen leiden beide Filme unter ihren grenzdebilen deutschen Titeln. Die Übersetzung ist davon abgesehen gut geraten, aber die Titel sind wie so oft ein Totalausfall. Die Glücksritter heißt im Original Trading Places. Eine doppeldeutige Anspielung auf den für die Handlung so wichtigen Ort der Börse, also einem Handelsplatz, und auf die Tatsache, dass die beiden Hauptfiguren innerhalb der Gesellschaft ihre Plätze tauschen (to trade places).
Mord mit kleinen Fehlern spoilert mit dem Titel völlig ohne Not ein wenig. Offensichtlich wollte man die Krimi narrischen Deutschen mit der Nase darauf stoßen, dass es sich hierbei auch wirklich um einen Kriminalstoff handelt. Total logisch. Wenn gemordet wird, wird schließlich alles interessanter. Vielleicht hätte ich mit "Mord" im Titel auch mal bei Peppa Pig reingeschaut - who knows?! Dieser Film hatte im Original den Namen Sleuth. Übersetzen kann man den veralteten englischen Begriff, der ursprünglich mal für Bluthunde bzw. Spürhunde verwendet wurde, auch als Schnüffler. Gemeint sind damit in klassischen Geschichten der kriminalistischen Subgenres der Cozy Mysteries und Whodunits Amateurdetektive vom Schlage einer Jessica Fletcher, Miss Marple oder eines Sherlock Holmes. Diese spüren oft mit Witz und Charme den Mördern ihrer Geschichten nach. Sleuths bezeichnet also intelligente, aber exzentrische oder skurrile Rätsellöser. Der Begriff hat keinerlei juristische Verankerung, wird also im umgangssprachlichem Kontext und mit humorvollem Unterton verwandt.
In Sleuth bringt der Titel sogleich mehrere Dinge zum Ausdruck. Er teilt den Zuschauern mit: Guck mal, ich bin ein Krimi - ick schwör! - vielleicht ja ein Whodunit. Ich bin nicht übermäßig ernst gemeint, habe schräge Charaktere im Gepäck und ein Rätsel für die Zuschauenden, das sie Lösen können. Tatsächlich werden diese Versprechen zum Großteil auch eingelöst. Zudem unterstreicht der Titel die verspielte Natur der Charaktere. Um genau zu sein ist für den Krimiautor Wyke all das, was an diesem Tag in seinem Landhaus geschieht, nur ein makaberes Spiel, das er zu genießen gedenkt. Der Film basiert auf einem Theaterstück, was man durchaus merkt. Das ist im Übrigen nicht negativ gemeint. Erzählstruktur und Inszenierung des Films erinnert halt offensichtlich an ein Drehbuch, das mal auf den Bühnen der Welt zu Hause war. Dafür, dass Sleuth nur auf dem Grundstück des Landhauses spielt, ist er äußerst kurzweilig inszeniert und zerlegt pointiert die Konventionen und Klischees des Krimigenres. Obendrein reibt man den Romanautoren unter die Nase, dass sie nicht halb so intelligent sind, wie sie zu sein glauben.
Wer sich ebenfalls für intelligenter hält, als gut für sie ist, sind zwei Reiche alte Säcke in Trading Places. Selbstverständlich kommt ihr Experiment wie ein Bumerang zu ihnen zurück. Über die Laufzeit hinweg zelebriert John Landis Aufstieg und Fall seiner Protagonisten und anschließend ihre genüssliche Rache. Es verwundert nicht, dass Eddie Murphy nach seiner Darstellung von Billy Ray in Hollywood durchgestartet ist. Selbes gilt für Jamie Lee Curtis, die als Prostituierte Ophelia eine äußerst unterhaltsame Performance abliefert. Trotz allem Humor gelingt es Landis die Klassenunterschiede im New York der frühen Achtziger Jahre abzubilden. Auf der einen Seite die reichen Börsianer - selbstredend Weiße, die sich von ihren schwarzen Dienern betüddeln lassen und überhaupt nicht herablassende zu ihnen reden - auf der anderen Seite die Arbeiterklasse, die alles tun muss, um über die Runden zu kommen. Es mag ein Klischee sein, dass Ophelia den abgestürzten Louis aus dem Rinnstein zieht. Sie verspricht sich davon langfristig einen Vorteil, aber ihre Figur handelt ambivalenter als sie selber bereit ist zuzugeben. Denn ein gutes Stück Mitgefühl und Zusammenhalt unter denen, die wenig oder gar nichts haben, ist auch dabei.
Damit sind wir mittendrin in einem Thema, dass nie an Aktualität verloren hat. Beide Komödien beschäftigen sich mit Klassismus, Standesdünkel und auch Rassismus. Letzter Punkt ist in Trading Places aufgrund des Hautfarbenunterschieds der Hauptfiguren selbstredend stärker ausgeprägt. Interessant finde ich, dass Landis auch zeigt, dass der plötzliche Wohlstand Billy Ray ebenfalls zu verändern beginnt. Als die klügste Figur im Film bemerkt er jedoch - selbst ein wenig überrascht - dass er mit einem Mal klingt wie die Ekelpakete, die früher auf ihn herabgeschaut haben. Dadurch kann er den verändernden Einflüssen seiner neuen Klasse entgegenwirken.
Sowohl der wohlhabende Krimiautor als auch die Besitzer der Investoren fordern eine klare Hierarchie der Gesellschaft ein. Die Reichen sind oben und die Habenichtse gehören ganz unten in die Gosse. Aufsteiger werden argwöhnisch beobachtet. Und wer versucht Klassengrenzen zu überwinden, muss damit rechnen zurückgestoßen zu werden. Auch heute - insbesondere in einer Erbengesellschaft wie Deutschland - ist es sehr schwierig den materiellen Aufstieg und damit das Überwinden der eigenen sozialen Klasse zu schaffen. Die Ursachen sind mannigfaltig und würden hier den Rahmen sprengen. Die beiden Filme arbeiten jedoch recht unterhaltsam heraus, wie äußere Faktoren wie beispielsweise die Herkunft, auszumachen an Namen oder Hautfarbe, als Marker genutzt werden, um diejenigen zu bestimmen, die nichts waren, nichts zu sein haben und nie etwas werden dürfen. Am Ende geht es immer nur um Machterhalt. Außerdem bleibt man lieber unter sich.
In beiden Filmen beißt das Karma den Antagonisten mächtig in den Arsch. Das sind die Filmfinale, die wir Zuschauenden brauchen, die wir im echten Leben aber fast nie erleben werden.
Träumen darf man jedoch noch.


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