Es gibt Genres, die das Kino ihrer jeweiligen Zeit maßgeblich mitgeprägt haben. Beispielsweise Screwball Komödien in den 30ern, Film Noir Krimis in den 40ern, Western in den 50ern, zwei Jahrzehnte später waren es unzählige Katastrophenfilme, aber auch das sich weiter entwickelnde Horrorkino. Die Achtziger boten Abenteuer versprühende Blockbuster, gefolgt vom billo CGI-Kino der 90er - Hust, Tiefschlag! - und seit 2008 werden wir vor allem mit Superheldenverfilmungen gequ... ähm, beglückt.
Ja, auch ich hatte anfänglich mit vielen Marvel Filmen meine Freude, aber allerspätestens mit Endgame war bei mir die Luft raus. Hätte dieser Film eine Existenz abseits der totalen Grützigkeit gefristet, es wäre mir einfach gefallen, damit ein Filmkapitel zu schließen und es in guter Erinnerung zu behalten. Für mich rangiert das Finale der dritten MCU-Phase jedoch auf einer Höhe mit der desaströsen letzten Game of Thrones Staffel und - Uh, Boy, don't get me started!
Was Marvel seitdem in Kino und in Serienform getrieben hat, mäandert meist zwischen bestenfalls ganz nett und unfreiwillig lustiger, generisch heruntergekurbelter und dilletantisch zusammengeschusteter Bewegtbildlangeweile.
Fair enough, Marvel hatte mich eine Zeit lang in der Tasche. Wie war es um DC bestellt? Vor allem konnte ich mich für den Lederlappen erwärmen. Spätestens seit Tim Burtons Batman und der Animated Series in den 90ern konnte ich mit dem stinkreichen Prügeldetektiv mit ausgeprägtem Kostümfetisch was anfangen. Superman hingegen? Am liebsten waren mir ja die Momente, in denen Lobo ihm den Arsch versohlte. Das Boyscout-Gehabe gefiel mir weder bei ihm noch bei Captain America je besonders. Es ist mir natürlich klar, dass die beiden Figuren in ihren jeweiligen Universen quasi den Goldstandard verkörpern. Das Ideal, zu dem jeder Held hinstreben sollte. Allerdings machte das diese Figuren auch sehr langweilig.
Ich verstehe, warum viele alteingesessene Fans Richard Donners Superman von 1978 lieben. Für die damalige Zeit war der fantastisch gedreht und Comicadaptionen auf diesem Level waren bis dato nicht existent gewesen. Mich konnte die Reihe jedenfalls nicht catchen. Nach Bryan Singers Neuverfilmung von 2006 hatte ich erwartet, dass Superman auf ewig im Giftschrank Hollywoods landen würde. So beschissen war der. Wenn Lex Luther die einzige Figur in deinem Film ist, die man sympatisch finden kann, weiß man was die Autoren falsch gemacht haben. Doch schon 2013 zerrte Zack Snyder den Mann in Strampelbuxen wieder ans Licht der Öffentlichkeit, um mich ein weiteres Mal zum Kotzen zu bringen. Zugegebenermaßen fand ich die erste Hälfte des Films gar nicht mal so übel. Der Ansatz orientierte sich am J. Michael Straczynskis (Babylon 5) Comic Superman Earth One, in dem man sich traute der Figur einige Grautöne zu verpassen. Aber auf die erste Hälfte folgte logischerweise eine zweite. Hätte man besser weggelassen und den Film is Nichts führen sollen. Man of Steel endete in einem katastrophalen CGI-Gewichse, in dem Supes mit dem Zerdeppern von Metropolis unzählige Menschen umgebracht haben muss. Abgesehen davon war das Skript derart blöd und inkonsistent, dass ich im Kino mehr als einmal lachen musste.
Insgesamt war mir Zack Snyders DC Filmuniversum schlicht zu nihilistisch, zu schwach geschrieben und technisch ebenso mau umgesetzt. Fast jeder Film aus der Reihe endete in einer Computergrafikklabusterbeere, die mit steigender Laufzeit immer schlimmer aussah, obwohl man gar kein Trinkspiel spielte. Man hätte einen Zähler einblenden sollen, der das verfügbare Budget heruntertickern würde, während der Film läuft. Je niedriger der Zähler, desto grottiger Ausleuchtung, CGI und Komposition der Bildelemente.
Und jetzt kommt James Gunn mit einem neuen Superman Film um's Eck, der einen Neustart des filmischen Universums darstellen soll. Es ist nach meinem vorherigen Rant die Frage angebracht, warum ausgerechnet ich mir dann diesen Film angetan habe.
Zum einen mag ich grundsätzlich Gunns Herangehensweise an Charaktere. Ja, er hat ein so großes Herz für Underdogs, dass das inzwischen ein so vorhersehbares Klischee in seinem Writing geworden ist, dass man das zu Recht bemängeln darf. Allerdings merkt man, dass er seine Charaktere liebt und sie mit Leben erfüllt. Oft machen sie auch nachvollziehbare Entwicklungen durch. Obwohl ich seinen dritten Guardians of the Galaxy nicht besonders gut fand, war der Plot rund um Rocket Raccoon mit das beste am gesamten Drehbuch.
Minor Spoiler: auch in Superman gibt es ein paar Figuren, die wieder als dysfunktionale Familie herhalten. Diese spielen jedoch nur am Rande eine Rolle. Es wirkt fast so, als würde Gunn die Justice Gang mehr als Augenzwinkernder Verweis auf sein bisheriges Schaffen einsetzen. Der Fokus der Handlung liegt auf der Beziehung zwischen Clark Kent (David Corenswet) und Lois Lane (Rachel Brosnahan).
Der zweite Grund mir den Film anzuschauen war ausgerechnet der erste Trailer. Inzwischen sind die als Appetizer gedachten Filmschnipselhäppchen zu blödartigen Tumoren mutiert, die immer die gesamte Story verraten müssen. Nicht, dass hier ein Riesengeheimnis gemacht wurde, aber ich hatte den Eindruck nur einige wenige Momentfragmente gesehen zu haben. Zudem fühlte sich das Gezeigte an, als würde man vom deprimierenden Grundton der letzten Filme weitestmöglich Abstand nehmen und sich einer positiven Botschaft zuwenden wollen. Meine einzige Befürchtung bezüglich des Bildes hat sich nicht bewahrheitet. Die Farbintensität im fertigen Film war ein gutes Stück zurückgedreht worden und meine müden Augen durften ungläubig Filmkorn erblicken. Tatsächlich hat man sich dazu entschieden dem digital gedrehten Film nachträglich einen Filmkorneffekt und in schummrigeren Szenen ein gewisses Maß an Solarisation zu verpassen, was eine geerdetere Atmosphäre entstehen lässt. Je nach Plot kann es Sinn ergeben einen slicken, cleanen Look zu bevorzugen, wie es bspw. bei The Substance der Fall war. Ich habe jedoch den Eindruck, dass viele Filmschaffende in Hollywood die Nachbearbeitung mit Filtern entweder scheuen oder schlicht keine Ahnung mehr davon haben, was sie bewirken können.
Jedenfalls war ich ausnahmsweise mal wieder mittelmäßig hooked eine Comicverfilmung anzuschauen. Zuletzt war das bei The Batman von Matt Reeves der Fall gewesen - und der ist nun auch schon drei Jahre alt.
Was soll ich sagen? Es ist der beste Supermanfilm, den ich bisher gesehen habe. Eine zugegebenermaßen sehr niedrige Hürde auf dem Level des Zehnkampfs der Upper Class Twit of the Year Meisterschaften (Flying Circus), aber immerhin. Ist es der beste James Gunn Film geworden? Nein, das definitiv nicht. Ich hatte jedoch eine gute Zeit mit Superman. Der Film sah auf einem gleich bleibendem Level durchgehend gut aus. Ich mochte den grundsätzlichen Look, die meisten Schauspieler fand ich passend besetzt und der Plot wusste ebenfalls zu gefallen, auch wenn man sich hier kein Bein ausgerissen hat, um Innovationspreise abzustauben.
Ein für mich wichtiger Punkt, bevor ich ein paar Worte zur Handlung verliere: Zwei Dinge lassen für mich diesen Superman zu einer Antithese von Zack Snyders Version werden. Gunn und Snyder sind übrigens keine Gegenspieler, darum geht es mir nicht. Snyders Superman war sehr jenseitig, düster grüblerisch und hatte kein Problem damit Metropolis in Schutt und Asche zu legen, um seine Gegner loszuwerden. James Gunn hingegen lässt seinen Superman Gefechte in Bereiche lenken, in denen möglichst wenig zerstört werden kann und weniger Leben gefährdet sind. Zudem redet und handelt er wie ein echter Mensch und nicht wie ein Figurenkonzept, das vorgibt sich umständlich selbst zu durchdenken, während er sich eigentlich mal äußern müsste. Henry Cavill hat alles gegeben, um das Nichts, das durch Kents Denkmurmel waberte, irgendwie darzustellen, aber für mich war das kein lebendiger Charakter, sondern nur eine Hülse. Weder der eine noch der andere Superman ist besonders subtil, mit dem von Gunn kann ich persönlich einfach mehr anfangen.
Der typische James Gunn Humor ist hier ebenfalls wieder vertreten, jedoch deutlich zurückgefahren im Vergleich zu The Suicide Squad oder seinen Guardians Filmen. Das passt zum restlichen Ton des neuen Superman-Streifens. Den einen oder anderen wird wahrscheinlich Krypto stören, Supes Cape bewehrter Mischling. Ich fand es geradezu charmant ausgerechnet dieses absurde und etwas kitschige Detail aus den alten Comics hier wiederzufinden.
Man wird direkt in die Handlung geworfen und bleibt dankenswerterweise von einer erneuten Origin-Story verschont. Jedermann und Frau kennt Superman. Selbst wenn nicht, sind die Dinge, die man gezeigt bekommt, ausreichend genug beschrieben und gezeigt, dass man hier nicht durcheinander kommen wird. Ich bin nicht besonders tief in der Comiclore drin. Mr. Teriffic hat mir bspw. gar nichts gesagt, aber man bekommt einen guten Eindruck davon wie er tickt.
Der Film beginnt also mit Supermans erster Niederlage in einem Kampf. Er ist erst seit drei Jahren der Öffentlichkeit bekannt, geht relativ unbedarft vor und überschreitet Grenzen, die er nicht sehen kann oder will. Deshalb gibt es innerhalb der Bevölkerung nicht nur Zuspruch für ihn. Relativ früh zu Beginn des Films findet ein längeres Gespräch mit Lois über die Fragwürdigkeit seines Handelns und seiner Motivationen statt. Sie versucht ihm klarzumachen, dass er sich aufgrund seiner Fähigkeiten Dinge herausnimmt, die für jeden anderen Konsequenzen hätten. Auch wenn er es gut meint, spielt er Richter und Henker in Personalunion. Dieses Gespräch setzt den Ton für den Rest der Handlung und es war schön zu sehen, dass die permanente Selbstjustiz endlich mal verbalisiert wird. In Civil War wurde das Thema auch auf den Tisch gebracht, war jedoch am Ende lediglich der Aufhänger für die Polarisierung zwischen Iron Man und Captain America. Das hätte man anschließend ausbauen müssen. Stattessen verkümmerte dieser Punkt in den folgenden Filmen zu einer Randnotiz. Die Zuschauenden sollten besser ignorieren, dass er je da war. Schade! Das Event war also wichtiger als die Botschaft gewesen.
Watchmen (Regie: Zack Snyder) hatte das Thema durchexerziert, steht aber außerhalb der großen Comicuniversen. Alan Moores Abgesang auf das Superheldengenre könnte man als finalen Punkt sehen und sagen: OK, wir brauchen keinen weiteren dieser Filme mehr - aber das ist natürlich nicht die Wirklichkeit.
Zu sehen, wie unser Posterboy mit diesen Vorwürfen konfrontiert wird und wie unbeholfen er mit diesen umgeht, war geradezu erfrischend. Superman befindet sich an dieser Stelle noch in einer Selbstfindungsphase und muss erkennen, dass er einfach so die moralische Überlegenheit für sich beansprucht. Auf welcher Grundlage eigentlich? Hat er sich je ernsthaft mit diesem Gedanken auseinander gesetzt? Diese Willkür hat nicht nur für ihn, sondern auch für Unbeteiligte Konsequenzen, wenn Lex Luthor, motiviert durch echte Angst um die Menschheit vor dem Handeln des galaktischen Immigranten, Jagd auf ihn macht. Auch wenn es diesmal nicht Lex Gewinnstreben ist, dem Superman im Weg steht, mutiert der von Nicholas Hoult dargestellte böse Bube damit nicht automatisch zum Altruisten. Seine Bedenken sind jedoch grundsätzlich erstmal nachvollziehbar.
Das Thema Selbstjustiz verschiebt sich im Laufe des Films von Superman auf Luthors waffenstarrende Organisation, die sich mittels Erstellung und Verbreitung von Fake News Macht übertragen lässt und dann unkontrolliert Schaltet und Waltet. Klar ist, dass weder ein gut meinendes Superwesen, noch eine privat geführte Organisiation staatliche Macht ausüben sollte. Für das Genre wird es immer schwierig sein mit diesem Anspruch mitzuhalten. Ein guter Anfang sind schonmal Figuren, die die Delinquenten weder verkrüppeln noch umbringen. In dem Punkt ist Superman auf einem guten Weg.
Brauche ich nun also ein DC-Filmuniversum von Gunn? Nein, auch wenn ich zugeben muss, dass ich gespannt bin, was sich hieraus entwickeln wird. In den aktuell düsteren Zeiten war Superman nicht gerade ein Film, nach dem ich explizit gefragt hätte, den ich aber dank seiner positiven Ausrichtung mehr gebraucht habe, als ich erwartet hatte.

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