Als der Surfer (Nicholas Cage) nach vielen Jahren mit seinem Sohn aus den USA in seine alte Heimat in Australien zurückkehrt, muss er feststellen, dass inzwischen eine Surfersekte das Sagen hat. Nur Einheimische dürfen am Strand seiner Jugend surfen und Er ist kein Einheimischer. Somit wird dem Surfer sein Wunsch versagt. Diese Demütigung sitzt tief, zumal er das alte Haus seines Großvaters kaufen will, um wieder zu Hause leben zu können. Irritierenderweise steht die Finanzierung plötzlich auf der Kippe. Da der Surfer ein beharrlicher alter Mann ist, bleibt er gegen alle Widrigkeiten, nimmt den Kampf gegen die Sekte auf und droht dabei sich selbst zu verlieren.
Lorcan Finnegans (Vivarium, Nocebo) neuster Film wird als Mystery-Thriller gelistet. Eine Kategorisierung, die ich für grundlegend falsch halte, auch wenn Aspekte dieser Genres in The Surfer zu finden sind. Im Grunde handelt es sich um eine satirische Abrechnung mit evangelikalen Sekten.
Es wird eine strikte Trennung zwischen den Gläubigen und den Anderen gemacht, die als fremdartig gebrandmarkt werden und somit abzuweisen sind. Lassen sich Fremde nicht verscheuchen, wird auch zu körperlicher Gewalt gegriffen. Das Wirken der Sekte hat bereits Einfluss auf die Einheimischen, die dem Surfer insgesamt eher ablehnend eingestellt sind. Sie surfen zwar nicht, leben aber in einer Gegend, die der Vater des Sektenführers zu einem großen Teil aufgekauft hat. Damit sind sie Teil der erweiterten Gemeinde.
Den evangelikalen Aspekt habe ich vor allem wegen der Darstellung der Sekte hervorgehoben. Man könnte grundsätzlich alle Sekten hiermit abbilden, aber die Art wie der Glaube im Film praktiziert wird, lässt den Schluss zu, dass Finnegan es vor allem auf Evangelikale abgesehen hat. Dafür sprechen sowohl die Taufe im Meer, als auch die weiteren religiösen Zusammenkünfte. Der Aufkauf von Immobilien und Land, als Strategie um sich eine treue Gemeinde aufzubauen, ist ebenfalls eine bekannte Methode solcher Religionsgemeinschaften in den USA. Obendrein ist die Surfersekte rein patriarchal geführt. Nicht eine einzige Frau ist unter ihnen vertreten. Selbsternannter Oberpriester und Heiland Scally (Julian McMahon) darf sich alles rausnehmen. Sex mit einer Minderjährigen? No problemo! Er bestimmt, wer dazugehört und wer nicht. Was er sagt ist Gesetz. Aber am Wichtigsten: Das Gesetz kann nicht auf ihn angewandt werden.
Ohne es zu merken, wird der Surfer zum Aspiranten, als er beharrlich sein Ziel verfolgt. Seine Anwesenheit am Strand scheint wie eine Droge oder ein Gift auf ihn einzuwirken. Zunehmend verliert er die Kontrolle über sein Handeln, während er sich selbst einredet weiter am Steuer zu sitzen. Stück für Stück demontiert er sich - mit ein wenig Hilfe von Außen - so lange selbst, bis er endlich am Nullpunkt angekommen ist. Dann erst kann der Mann zu einem treuen Gemeindemitglied wieder aufgebaut werden. Mehrfach musste ich an David Finchers Fight Club und an Projekt Chaos denken, das Ähnlichkeiten hierzu aufweist. Es gibt jedoch einem entscheidenden Unterschied: Chaos ist nicht das Ziel der Surfersekte. Was sie wollen ist eine Ordnung, die sie allein kontrollieren.
The Sufer ist ein für sein Thema ungewohnt farbenprächtiger Film. Das gesättigte Bild steht umso mehr im Kontrast zum Verfall des Protagonisten, der sich Szene für Szene seiner Würde entkleidet und den Kontakt zur Realität zu verlieren droht. Finnegan trifft zumeist den Ton und inszeniert Cages Abstieg in schön fotografierten Bildern. Allerdings hätte man das Ziel sicherlich auch mit zehn Minuten geringerer Laufzeit erreichen können.
Doch wem kann man den sonnendurchtränkten Fiebertraum The Surfer empfehlen? Nicholas Cage Fans auf jeden Fall. Nicht nur, dass sie bereits viel Kummer gewöhnt sind, nein, sie sehen seine Filme vor allem wegen seiner Experimentierfreudigkeit. Dabei kann man seinen Filmen nicht absprechen, dass sie sich dem langweiligen Einheitsbrei hingeben würden. Wer jedoch ausschließlich casual Filme schaut, auf einer Hirn-aus-Mentalität besteht, zwingend einen vertrauenswürdigen und zuverlässigen Erzähler benötigt oder bei Begriffen wie Metapher, Analogie oder Ästhetik eher an sexuelle Praktiken denkt und angeekelt ausspuckt, sollte um The Surfer einen weiten Bogen machen.
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